Politische Positionen

Stellungnahme zu den geplanten Änderungen des Landesentwicklungsplans NRW

  • 11.07.2018
  • Politische Positionen

Der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. ist die Stimme von rund 2.900 Genossenschaften mit knapp 8 Millionen Mitgliedern in 14 Bundesländern – darunter mehr als 130.000 Menschen, die sich in Energiegenossenschaften zusammengeschlossen haben. Wir nehmen die Interessen unserer Mitgliedsgenossenschaften in allen genossenschaftlichen, politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten wahr und vertreten diese aktiv im Meinungsaustausch mit Meinungsbildnern und Entscheidern.

Als Prüfungs- und Beratungsverband, Bildungsträger und Interessenvertretung betreuen wir Unternehmen aus den Bereichen Kreditwirtschaft, Landwirtschaft, Handel, Gewerbe und Dienstleistungen. Darunter sind mehr als 100 Energiegenossenschaften, die ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen haben.

Zu den geplanten Änderungen des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen in der Fassung des Entwurfs vom 17. April 2018 nimmt der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. hinsichtlich der Ausweisung von Windvorranggebieten, des Abstands zu Windenergieanlagen und zur Nutzung von Windkraft im Wald wie folgt Stellung:

Unter Ziffer 10.2-2 ist aktuell als Ziel verankert, dass „proportional zum jeweiligen regionalen Potenzial Gebiete für die Nutzung der Windenergie als Vorranggebiete in den Regionalplänen festzulegen [sind]“. Damit soll erreicht werden, dass „bis 2020 mindestens 15 % der nordrhein-westfälischen Stromversorgung durch Windenergie und bis 2025 30% der nordrhein-westfälischen Stromversorgung durch erneuerbare Energien“ gedeckt werden. Die Landesregierung beabsichtigt, diese Ziel-Regelung für Vorranggebiete zu einem Grundsatz herabzustufen. Darüber hinaus sehen die geplanten Änderungen vor, dass die Planungsregionen nicht mehr verpflichtet sein sollen, Flächen für die Windenergienutzung auszuweisen, sondern dass sie selbst darüber entscheiden sollen.

Dieses Änderungsvorhaben hält der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. für problematisch. Mit der geplanten Änderung wird de facto jegliche räumliche Steuerung der Windenergie auf der Ebene der Regierungsbezirke bzw. des Regionalverbands Ruhr aufgegeben. Anders als von der Landesregierung dargestellt, haben die Gemeinden dadurch keine Vorteile. Weder erleichtert es ihnen die Erstellung ihrer Flächennutzungspläne, noch haben sie dabei mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Vielmehr werden die Kommunen bei diesem komplexen Verfahren, in dem sie der Grundentscheidung des Bundesgesetzgebers, substanzielle Entwicklungsmöglichkeiten für die Windenergie zu schaffen, Rechnung tragen müssen, von der Landesregierung allein gelassen.

Das vielschichtige Verfahren der Flächennutzungsplanerstellung ohne Unterstützung stemmen zu müssen, wird eher zu Fehlern führen, die den Plan gefährden. Infolgedessen können die Kommunen die räumliche Steuerung über den weiteren Ausbau der Windenergie auf ihrem Gebiet verlieren. Damit stärkt die Landesregierung nicht die kommunale Entscheidungskompetenz, wie sie es in ihrer Begründung formuliert. Sie lässt gegenüber den Kommunen und der Erreichung der verpflichtenden Klimaziele mit der geplanten Änderung von Ziffer 10.2.-2 die notwendige Hilfe vermissen.

Damit NRW und auch die Bundesrepublik die eigenen Klimaschutzziele sowie die Vorgaben des Pariser Abkommens wenigstens ansatzweise erreichen können, muss die Ausweisung der Vorranggebiete weiterhin verpflichtend sein. Außerdem sollen die Kommunen weiterhin die Unterstützung vom Land erfahren, die ihnen der Status Quo des Landesentwicklungsplans gegenwärtig zusichert.

Der geplante Abstand von1.500 Metern zwischen Wohngebieten (allgemeine und reine) und neu zu errichtenden Windkraftanlagen bremst den weiteren Ausbau der Windenergie fast gänzlich aus (Ziffer 10.2-3): Über 95 Prozent der Potenzialflächen in NRW würden dadurch der Windenergienutzung dauerhaft entzogen. Der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. lehnt daher die Formulierung dieser Abstandsregelung entschieden ab. Sie wird die Kommunen bei ihrer Bauleitplanung verunsichern und ihre Abwägungen fehlleiten. Denn die Kommunen sind weiterhin verpflichtet, Raum für die Windenergie nach Bundesrecht bereitzustellen. Wenn die Kommunen NRWs nun aber diesen neuen, rechtlich unsicheren LEP-Grundsatz in ihrem Flächennutzungsplan zu sehr berücksichtigen oder ihn gar als Ziel behandeln, wird der Plan gerichtlich unsicherer Überprüfung ausgesetzt. Diese drohende Unsicherheit lähmt die Entscheiderinnen und Entscheider und damit die Energiewende in NRW, denn die Kosten und das Risiko werden nicht durch die Landesregierung, sondern von den Kommunen und vor allem von den Bürgerinnen und Bürgern getragen, die sich engagiert in den Dienst der Energiewende stellen.

Der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e. V. plädiert eindringlich dafür, dass die bestehenden Regelungen beibehalten und angewendet werden. So wird eine rechtlich zuverlässige und durchführbare Regelung geschaffen, auf die sich die Kommunen in ihren Entscheidungen bei der Umsetzung der Energiewende verlassen können.

Für die Windenergie im Wald (Ziffer 7.3-1) gilt zurzeit folgende Zusatzregelung: „Die Errichtung von Windenergieanlagen ist möglich, sofern wesentliche Funktionen des Waldes nicht erheblich beeinträchtigt werden.“ Sie soll gestrichen werden. Das lehnt der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. ab, da diese Änderung Potenzial ungenutzt lässt. Außerdem erscheint es schon äußerst zweifelhaft, die NRW-Klimaschutzziele zu erreichen ohne Wind im Wald zu ernten. Im Zusammenspiel mit der beabsichtigten Abstandsflächenregelung würde das Erreichen dieser Ziele massiv gefährdet.

Bereits jetzt wird der Wald NRWs gut geschützt, indem die Nutzung von Windenergie auf Nadelholz-Monokulturen und Wirtschaftswälder beschränkt wird. Sie sind ökologisch weniger relevant. Die Eingriffe in diese Wälder durch Windenergie halten sich in Grenzen. Der Flächenverbrauch ist mit durchschnittlich weniger als 0,4 Hektar erwiesenermaßen gering.

Durch die Streichung will man zu einer alten Formulierung zurückkehren, die jedoch in der Vergangenheit zu fehlerhaften Entscheidungen und unwirksamen Flächennutzungsplänen geführt hat. Die oben zitierte Zusatzregelung wurde durch das OVG NRW extra hinzugefügt, um diesem Irrtum vorzubeugen. Ihn nun zu tilgen, ist insbesondere vor dem Hintergrund dieser Genese nicht nachvollziehbar.

Die „Privilegierung der Windenergie im Wald“ muss deshalb weiterhin im Landesentwicklungsplan bestehen bleiben, damit die Kommunen den planerischen Gestaltungsspielraum behalten, der ihnen von CDU und FDP versprochen worden ist. Gerade den waldreichen Kommunen in NRW wäre sehr geholfen, wenn durch den Landesentwicklungsplan die Nutzung von Windenergie in den adäquaten Wäldern gefördert werden würde.

Insgesamt stehen die Mehrheit der 18.000 Arbeitsplätze in NRWs Windenergiebranche sowie Investitionen in Milliardenhöhe auf dem Spiel. Es ist fraglich, wie das Land seiner Verpflichtung in der Energiewende auf Bundesebene nachkommen will, wenn es seine Chancen und seine Relevanz als der deutsche Industrie- und Wirtschaftsstandort nicht wahrnimmt. In der Umsetzung der Energiewende liegen große Wertschöpfungspotenziale, die zum einen auf die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzahlen und zum anderen zukunftsweisende Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen.

Insbesondere die Akteure der bürgerschaftlichen Energiewende, zu denen die Energiegenossenschaften zählen, sorgen für regionale Wertschöpfung im ländlichen Raum. Das bedeutet Arbeitsplätzte abseits der verkehrstechnisch überlasteten Ballungsräume, Aufträge für hiesige Handwerksbetriebe und Absatzmöglichkeiten bei den Verbrauchern vor Ort. Allen voran sorgt das Engagement von Energiegenossenschaften dafür, dass die Menschen selbst in der Energiewende aktiv werden können und so von vermeintlich Betroffenen zu Beteiligten werden. Die Akzeptanz für die Energiewende im Allgemeinen und Windparks im Besonderen steigt.

Sprechen Sie hierzu gerne an:

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RA

Christoph Gottwald

Abteilungsleiter Beratung und Betreuung Genossenschaften

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