Politische Positionen

Novellierung des Genossenschaftsgesetzes: Markenkern in Gefahr

  • 22.06.2017
  • Politische Positionen
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Gut gedacht, schlecht gemacht. So kann man die Bemühungen der Bundesregierung zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften zusammenfassen. Denn sie setzt den Markenkern der Genossenschaft auf‘s Spiel: Nachhaltiges Unternehmertum mit hohem Vertrauensschutz.

Kleinen unternehmerischen Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement, denen andere Rechtsformen nicht zuzumuten sind, soll der Zugang zur Rechtsform des wirtschaftlichen Vereins erleichtert werden, indem ihnen in dieser Form zuverlässig die Rechtsfähigkeit erteilt wird. Diese Anpassung soll im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) erfolgen. Hier ist es gut, dass die Bundesregierung anders als ursprünglich vorgesehen eine Regelung außerhalb des Genossenschaftsgesetzes vorschlägt. Denn Mitglieder, Gläubiger und Lieferanten wissen so, dass hier nicht der Ordnungsrahmen der Genossenschaft greift.

Doch darüber hinaus schlägt die Bundesregierung vor, dass die im Gesetz geregelte Bilanzsummen- und Umsatzerlösgrenzen für eine jährlich vorgeschriebene Pflichtprüfung angehoben werden. Der Bundesrat argumentiert zutreffend, wenn er fordert, von diesem Schritt abzusehen, da dadurch noch mehr Genossenschaften den Schutzschirm der jährlichen genossenschaftlichen Pflichtprüfung verlassen. Es würde nahezu zum Regelfall werden, dass bei zivilgesellschaftlichen Neugründungen der Jahresabschluss und der Lagebericht einer Genossenschaft nicht mehr geprüft werden.

Denn kleine Genossenschaften und Kleinstgenossenschaften sollen laut dem Regierungsentwurf nur noch „vereinfacht“ geprüft werden: Prüfer sollen nur noch einen begrenzten Umfang von Prüfungsunterlagen bearbeiten. Auch sollen die Prüfungsintervalle verlängert werden. Mit Blick auf die Praxis wird an dieser Stelle Nachbesserungsbedarf deutlich. Ein Prüfer darf nicht davon abgehalten werden, anlassbezogen zusätzlich erforderliche Prüfungshandlungen durchzuführen. Im Gesetz sollte festgehalten werden, dass der zuständige Prüfungsverband das Recht hat, eine vollständige Prüfung durchzuführen. Außerdem ist ein Zeitraum von vier Jahren zwischen einzelnen Vor-Ort-Prüfungen zu lang.

Der Regierungsentwurf sieht auch vor, dass eine Genossenschaft, wenn sie mehreren Prüfungsverbänden angehört, in Zukunft selbst wählen kann, von welchem Verband sie geprüft wird. Es droht ein „Verbände-Hopping“. Bei unliebsamen Prüfungsergebnissen könnte eine Genossenschaft einfach den Prüfauftrag anderweitig vergeben. Die für die Stabilität von Genossenschaften so wichtige werteorientierte soziale Kontrolle würde leiden und Anreize für Gefälligkeitsprüfungen geschaffen. Hat der Gesetzgeber vergessen, dass keine der von den großen genossenschaftlichen Regionalverbänden geprüfte Bank in der Finanzkrise ab 2008 in eine Schieflage geraten ist oder staatliche Hilfe brauchte?

Der federführende Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz wird voraussichtlich am 15. Mai über den Regierungsentwurf beraten. Danach wird der Entwurf zur weiteren Beratung in den Bundestag gegeben. Sehr wahrscheinlich wird der Gesetzgebungsprozess noch vor den Bundestagswahlen im September abgeschlossen.

Will der Gesetzgeber ernsthaft die Genossenschaft stärken, gibt es sehr viel geeignetere Möglichkeiten als ausgerechnet Rahmenbedingungen zu verschlechtern, die entscheidend zum Erfolg der Genossenschaft beigetragen haben. Die Homepage des RWGV bietet eine Fülle von Hinweisen für sinnvolles Engagement.

Der RWGV fordert…

  • die Beibehaltung bestehender Größenmerkmale für die jährliche Pflichtprüfung, um das genossenschaftliche Prüfsystem nicht aufzuweichen.
  • Nachbesserungen bei den Vorschlägen zur vereinfachten Prüfung: Eine umfassende Prüfung muss den Prüfungsverbänden möglich sein - auch in kürzeren Abständen.
  • die Streichung der Wahlfreiheit zur Abschlussprüfung bei Zugehörigkeit zu mehreren Prüfungsverbänden.

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