1-2017 | GENiAL | 37
BUNDESLAND | RHEINLAND-PFALZ
D
er Klimawandel ist bei
uns
angekommen“,
bestätigen Baltes und
Kallfelz. Beide Genos-
senschafts-Chefs sind
sich einig, dass sich
die globale Erwärmung qualitätssteigernd
auf ihre Weine auswirkt. Die Sommer sei-
en spürbar wärmer geworden und hätten
mehr Sonnenstunden als früher. „Das
steigert die Qualität der Trauben und der
Weine“, sagen Baltes und Kallfelz überein-
stimmend. Und das sei schon seit Jahren
der Fall. Gefühlt liege der letzte richtig
schlechte Wein-Jahrgang schon lange zu-
rück, Anfang der 90er Jahre, schätzt Kall-
felz.
„Wenn es gelingt, den globalen Tem-
peraturanstieg auf zwei Grad Celsius zu
begrenzen, dann sieht es für die deut-
schen Winzer weiter gut aus“, so der im
Mai ausgeschiedene Weinbau-Präsident
Norbert Weber in einem Interview mit
Zeitung „Der Welt“. Winzer könnten vom
Klimawandel profitieren, wenn sie des-
sen Chancen nutzen: zum Beispiel neue
Rebsorten anbauten. Oder neue Lagen im
Norden ausprobieren. So will auch Baltes
künftig auf kleiner Fläche Neuzüchtungen
testen. Außerdem berichtet er vom Joint
Venture eines Winzer-Kollegen mit einem
schwedischen Weingut. Rebflächen gäbe
es inzwischen auch in den Niederlanden,
Großbritannien und Norwegen. Er hält es
nicht für ausgeschlossen, dass sich die
Weinanbaugebiete künftig weiter nach
Norden verlagern.
Kallfelz, der in seiner Genossenschaft
schon 20 Rebsorten verarbeitet, sieht den
Klimaveränderungen gelassen entgegen:
„Wir haben schon vor acht Jahren unse-
re Genossenschaft umstrukturiert, stark
maschinisiert und unsere Annahmekapa-
zitäten auf das doppelte unserer Anbau-
fläche, nämlich 700 Hektar, ausgelegt. Wir
ernten jetzt in zwei bis vier Wochen, wo-
für wir vorher sechs oder sieben Wochen
gebraucht haben. So können wir in immer
kürzerer Zeit große Mengen Trauben ern-
ten und verarbeiten.“ Denn einig sind sich
beide Winzerchefs: Bei den inzwischen
heißen Sommer und unbeständigen Wet-
terverhältnissen sei vor allem eines ent-
scheidend: der richtige Lesezeitpunkt.
Obwohl die Winzer zurzeit noch vom
Klimawandel profitieren, sind Baltes und
Kallfez die Risiken sehr bewusst. Das
Wetter werde immer unberechenbarer.
„So hat allein der Frost in diesem Jahr
zu Schäden von 30 Prozent bei unseren
Winzern, bei anderen sogar bis zu 80
Prozent geführt“, sagt Baltes. Schon ein
einziger heftiger Hagelschauer könne
den Weinbergen schwer zu schaffen ma-
chen. Durch die höheren Temperaturen
würde vor allem der Pilzbefall befördert,
auch ausländische Schädlinge, wie die
asiatische Kirschessigfliege, bereiten dem
Weinbau große Sorgen. „Das haben wir
aber inzwischen mit ökologischen Mitteln
gut im Griff“, sagt Baltes.
Zucker, Oechsle und Alkohol
Mit der globalen Erwärmung steigt auch
der Zuckergehalt in den Trauben. Das ist
gut für Rotweine, aber weniger gut für
Rieslinge. Wurden früher 80 Grad Oechsle
gemessen, sind heute 90 Grad keine Sel-
tenheit mehr. Je mehr Zucker die Traube
hat, desto mehr Alkohol kann später bei
der Gärung entstehen. „Und hier das rich-
Milde Winter und heiße Sommer: Die globale Erwärmung sorgt bei den rheinland-
pfälzischen Winzern für einen guten Jahrgang nach dem anderen. Auf der anderen
Seite geht er mit extremen Wetterkapriolen einher.
Welche Folgen hat das für Winzer
und ihre Genossenschaften? Wie gehen sie damit um? Die Redaktion sprach mit Albert
Kallfelz, Geschäftsführer der Genossenschaft Wachtenburg Winzer, und Matthias Baltes,
Vorstand der Winzergenossenschaft Mayschoss-Altenahr.
tige Verhältnis zu finden, das können wir
nicht im Keller regeln, das muss schon am
Rebstock passieren“, betont Kallfelz.
Um die Zukunft machen sich beide
Winzergenossenschaftschefs keine Sor-
gen. „Es überwiegen trotz Klimawandels
bisher noch die Vorteile“, sagt Baltes. „Die
Ausreifung der Trauben ist besser als vor
Asiatische Kirschessigfliege
liegt auf der Lauer
Sechs der
13 deutschen
Weinanbaugebiete
liegen in
Rheinland-Pfalz
Ahrtal:
Spät- und Frühburgunder (ca. 560 ha)
Mosel-Saar:
Riesling, Silvaner, Elbling (ca. 9.000 ha)
Romantischer Rhein:
Riesling, Spätburgunder (ca. 460 ha)
Rheinhessen:
Dornfelder, Riesling, Weiß- und
Grauburgunder, Silvaner (ca. 26.000 ha)
Naheland:
Riesling, Rivaner, Silvaner, Weiß- und
Grauburgunder (ca. 4.000 ha)
Pfalz:
Riesling, Dornfelder, Weiß- und Grau-
burgunder, Silvaner (ca. 23.000 ha)
Quelle: Gastlandschaften Rheinland-Pfalz