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Verband präsentiert Umfrageergebnisse: Politische Strukturbrüche führen bei vielen Agrargenossenschaften zu negativen Zukunftserwartungen

  • 23.09.2019
  • Pressemitteilungen

Agrargenossenschaften sind Lebensader für ländliche Räume – Fokussierung der Politik auf urbane Zentren droht zu spalten

Berlin. „30 Prozent unserer 550 Agrargenossenschaften erwarten in den kommenden zwölf Monaten eine Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation. Das ist ein Alarmsignal für Ostdeutschland. Denn mit 1,5 Milliarden Euro Umsatz, mehr als 21.000 Mitgliedern und 15.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind Agrargenossenschaften in den ländlichen Räumen eine wichtige Lebensader. Unsere Umfrage belegt, wie hoch der Handlungsbedarf für die Politik ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen die Agrargenossenschaften erfolgreich wirtschaften können.“ Mit diesen Worten leitete Ralf W. Barkey, Vorstandsvorsitzender des Genossenschaftsverbandes, ein Pressegespräch aus Anlass einer aktuellen Umfrage des Verbandes unter seinen agrargenossenschaftlichen Mitgliedern ein. Dabei machte er deutlich, dass der Verband in der aktuellen Fokussierung der Politik auf die urbanen Zentren ein hohes Risiko sieht. „Politik darf nicht einseitig sein. Politik darf nicht spalten. Politik muss auch in ländlichen Räumen Entwicklungsperspektiven aufzeigen.“

Landwirtschaft gehört zu den Branchen mit höchstem Veränderungstempo
Hintergrund für die schwierige Situation der Agrargenossenschaften seien die derzeitig stattfindenden Strukturbrüche in der Landwirtschaft. Kaum eine Branche unterläge einem stärkeren Wandel als die Landwirtschaft. Besonders hoch wird dabei von den befragten Agrargenossenschaften der Einfluss von Agrarpolitik (61 Prozent) und der Marktsituation (52 Prozent) auf die Unternehmenspolitik bewertet. Zukunftshemen wie Fachkräftemangel (24 Prozent), Generationenwechsel (15 Prozent) oder Digitalisierung (6 Prozent) folgen mit großem Abstand. „Unsere Mitglieder müssen sich permanent mit den durch die Tagespolitik ausgelösten Verwerfungen auseinandersetzen. Das bindet Zeit und Ressourcen, die dann für die Beschäftigung mit anderen wichtigen geschäftspolitischen Fragestellungen fehlen. Es ist eine wesentliche Aufgabe für uns als Verband, hier zu unterstützen und Hilfestellungen anzubieten“, erläuterte Barkey.

Fünf von sieben Top-Themen der Agrargenossenschaften kommen aus der Politik
So finden sich unter den sieben TOP-Themen, die die Unternehmen betreffen, fünf politische Themen: Überrascht es wenig, dass 97 Prozent der befragten Unternehmen von der gemeinsamen Agrarpolitik sehr stark oder stark betroffen sind, ist es dann schon bemerkenswert, dass die Düngeverordnung mit 92 Prozent, Tierwohl mit 65 Prozent, das Klimaschutzgesetz mit 58 Prozent und die Regulierung des Bodenmarktes mit 49 Prozent folgen. Verbraucherverhalten mit 51 Prozent und Seuchen mit 18 Prozent sind die beiden Themen, die nicht politisch gesetzt sind. „An diesen Zahlen zeigt sich, welch hohen Einfluss die Politik auf die Entwicklung unserer Agrargenossenschaften nimmt. Und wenn 30 Prozent unserer Mitglieder skeptisch in die Zukunft schauen, läuft hier etwas schief“, argumentierte Barkey.

Agrargenossenschaften stellen geschäftspolitische Weichen
Auch deswegen stehen viele Agrargenossenschaften vor wichtigen geschäftspolitischen Weichenstellungen. 60 Prozent der Verbandsmitglieder planen wegweisende Entscheidungen. Neben zwischenbetrieblichen Themen wie Unternehmenskooperationen (58 Prozent) und Beteiligungen (31 Prozent) haben betriebsinterne Themen wir Diversifikation (31 Prozent), Ökolandbau (25 Prozent) und Spezialisierung (24 Prozent) einen hohen Stellenwert. „Unsere Mitglieder erschließen sich nicht nur Effizienzvorteile; sie verfolgen auch Aktivitäten, die für eine grundlegende Anpassung an neue Rahmenbedingungen in Politik und Gesellschaft stehen. Der in Teilen der Gesellschaft verbreitete Blick auf die Landwirtschaft als Unternehmen, die sich dem Wandel verweigern, ist nicht gerechtfertigt. Aber Wandel braucht Zeit, Planungssicherheit und ein gesellschaftliches Umfeld, in dem Rechthaberei, einseitige Darstellungen und Vorurteile keinen Raum haben“, stellt Barkey heraus.

Unter dem Stichwort „mit Vorurteilen aufräumen“, präsentierte Barkey einige weitere Zahlen. Immerhin 28 Prozent der Agrargenossenschaften sehen im Trend zu Öko-Erzeugnissen und regionalen Produkten mehr Chancen als Risiken, gegenüber 35 Prozent, die mehr Risiken sehen. 23 Prozent erkennen in einem verpflichtenden Tierwohllabel mehr Chancen als Risiken. Umgekehrt sind es hier 39 Prozent. Barkey: „Bei diesen Zahlen müssen wir uns klar machen, dass hier nicht Theoretiker befragt wurden, sondern Praktiker, die bei ihrer Antwort Marktverhalten, Produktionsstrukturen, Umstellungskosten etc. berücksichtigen. Umso bemerkenswerter sind die vielen positiven Einschätzungen.“

Hohe Investitionen geplant – verlässliche Rahmenbedingungen sind erforderlich
Ihre Entsprechung finden diese strategischen Überlegungen in einer hohen Investitionsbereitschaft. Barkey: „92 Prozent unserer Mitglieder planen in den kommenden fünf Jahren Investitionen. Sie brauchen Planungssicherheit, Verlässlichkeit und Rahmenbedingungen, die ihnen als Genossenschaften gerecht werden.“ Schaut man sich die Zahlen im Einzelnen an, fallen insbesondere die hohen Prozentsätze bei den Investitionen in den Zukauf von Wirtschaftsflächen (66 Prozent), Tierhaltung/-produktion (47 Prozent), Milchproduktion (45 Prozent) und Erneuerbare Energien (40 Prozent) auf. Diese Investitionen stehen für Umsatzwachstum, Erschließen neuer Geschäftsfelder und Unternehmensumstellungen, zum Beispiel in Richtung Nachhaltigkeit. Dass darüber hinaus fast alle Mitglieder auch Investitionen in Maschinen, Gebäude und Fuhrpark planen, sei ein Zeichen, dass angesichts der mangelnden Planungssicherheit viele Investitionen zurückgestellt wurden. Der Hebel müsse nun umgelegt werden.

Krisen-Soforthilfen dürfen unternehmerische Eigenverantwortung nicht aushöhlen
Ein Beispiel dafür, dass unsere Mitglieder lieber auf Eigenverantwortung setzen als auf staatliche Alimentierung, belegen die Rückmeldungen zum Thema „Soforthilfe im Krisenfall“. „Unsere Mitglieder präferieren unternehmerische Instrumente, die ihre unternehmerische Verantwortung stärken und unabhängig macht von politischen Entscheidungen“, betont Barkey. So halten nur 50 Prozent der Befragten Soforthilfen von Bund und Ländern für sehr sinnvoll oder sinnvoll. Bei einer staatlich geförderten Gefahrensicherung sind es bereits 61 Prozent und bei der Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage sind es 77 Prozent. „Rücklagen bedeuten unternehmerische Eigenverantwortung, also das, wofür Genossenschaften stehen. In der öffentlichen Diskussion um die Dürrehilfe haben sie aber kaum eine Rolle gespielt. Das muss sich ändern. Wir müssen weg vom gesellschaftspolitischen Aktionismus, hin zum strategischen Handeln.“

Vor dem Hintergrund der gerade in den ländlichen Räumen bestehenden Unzufriedenheit appelliert Barkey an Bund und Länder, den Bedürfnissen von Agrargenossenschaften gerecht zu werden. „Unsere Umfrage belegt: Unsere Mitgliedern stellen sich dem Wandel. Sie reichen Politik und Gesellschaft die Hand zur Zusammenarbeit. Sie zahlen Steuern in der Region, sie schaffen dort Arbeitsplätze. Fast alle unterstützen kommunale und soziale Einrichtungen (97,4 Prozent). Sie stellen Technik zur Verfügung, wenn es zum Beispiel darum geht, Dorffeste zu feiern (87 Prozent). Vereinen stellen sie Räumlichkeiten zur Verfügung (39 Prozent). Sie sind wesentlicher Teil ländlicher Strukturen und dörflichen Lebens. Sie wollen keine Bevorzugung, sondern Rahmenbedingungen für Unternehmertum. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit in einer freien Gesellschaft.“

Agrargenossenschaften sind Zusammenschlüsse von Landwirten und bäuerlichen Familien. Mit ihrer besonderen Struktur als Mehrfamilienbetriebe stehen sie wie keine andere landwirtschaftliche Betriebsform für Wertschöpfung in der Region, um die Landwirtschaft gemeinsam zu betreiben und die Marktposition zu stärken. Die 550 Agrargenossenschaften im Genossenschaftsverband verteilen sich vor allem auf die Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

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