Politische Positionen

"Too big to fail" und die Folgen

  • 13.09.2018
  • Politische Positionen
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Rund ein Jahrzehnt nach der Pleite von Lehman Brothers besteht das "Too big to fail"-Problem weiter. Dies zeigt unter anderem die staatliche Rettung der italienischen Bank Monte Dei Paschi di Siena. Staatliche Hilfen für systemrelevante Großbanken belasten nicht nur die Steuerzahler, sondern sie führen auch dazu, dass "Too big to fail"-Banken größere Risiken eingehen. Zudem verzerrt "Too big to fail" den Wettbewerb zulasten kleiner Kreditinstitute.

1. "Too big to fail" schafft Anreize für systemrelevante Banken, übermäßige Risiken einzugehen.

Weil sie im Notfall auf die Hilfe des Staates bauen können, verfolgen "Too Big To Fail"-Banken häufig eine übermäßig riskante Geschäftspolitik. Dies bestätigt eine Studie der Federal Reserve Bank of New York.

2. "Too big to fail"-Banken können sich billiger refinanzieren als kleine Institute.

Gläubiger gehen davon aus, dass der Staat systemrelevante Banken im Notfall retten würde. Deswegen sind sie bereit, den "Too big to fail"-Instituten zu geringeren Zinssätzen Geld zu leihen als kleinen Banken. Aufgrund ihrer Systemrelevanz erzielen Banken jährliche Zinsvorteile in Milliardenhöhe. Zuletzt schätzte der Internationale Währungsfonds (IWF) den Refinanzierungsvorteil von elf der größten Banken weltweit auf 62 Mrd. Euro. In Deutschland betragen die Refinanzierungsvorteile der größten Banken laut einem Arbeitspapier des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken etwa 0,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes oder rund 13 Mrd. Euro. Hierdurch werden kleine Kreditinstitute, die diese Refinanzierungsvorteile nicht genießen, im Wettbewerb benachteiligt.

3. "Too big to fail" erzeugt Kursgewinne für Bankaktionäre – auf Kosten der Steuerzahler.

Nicht nur Kreditgeber, sondern auch Aktionäre von systemrelevanten Großbanken spekulieren darauf, dass der Staat diese im Notfall retten würde. Deswegen profitierten große private Banken in Deutschland jahrelang von besonders hohen Aktienkursen, so eine Studie der Schweizer Nationalbank. Auch in den USA und weltweit sind die Aktienkurse von "Too big to fail"-Banken höher als bei kleineren Finanzinstituten, wie ein Forscherteam der Stanford University und weiteren Hochschulen herausfand.

4. "Too big to fail" lässt Banken größer werden, als ökonomisch sinnvoll wäre.

Banken zahlen besonders hohe Summen für Übernahmen anderer Kreditinstitute, wenn sie dadurch "Too big to fail" werden und Refinanzierungsvorteile erzielen können, so eine Studie der Federal Reserve Bank of Philadelphia. Deswegen sind manche Großbanken in der Vergangenheit übermäßig stark gewachsen und wären ohne diese Refinanzierungsvorteile nicht besonders effizient, wie Wissenschaftler von Oxford University und Bank von England zeigten.

5. "Too big to fail" verhindert, dass sich ineffiziente Großbanken aufspalten.

Großbanken wehren sich gegen eine Aufspaltung, wenn sie befürchten, dadurch ihre "Too Big To Fail"-Vorteile zu verlieren, so eine Analyse der Harvard University.

6. Das "Too big to fail"-Problem ist seit Jahrzehnten bekannt.

Als erste "Too big to fail"-Bank gilt das US-Institut Continental Illinois, das 1984 mit staatlichen Mitteln gerettet wurde. Seitdem haben sich Ökonomen gründlich mit den Fehlanreizen befasst, die durch staatliche Rettungen im Bankensektor entstehen. Die US-Einlagensicherung FDIC zitiert 25 Veröffentlichungen zu diesem Thema aus den 1990er Jahren. Dass in der Subprime-Krise 2007 und 2008 dennoch viele Banken mit Milliardensummen gerettet werden mussten, liegt vor allem daran, dass Gesetzgeber und Bankenaufseher auf diese Erkenntnisse nicht angemessen reagierten.

7. "Too big to fail" führt zu überhöhten Boni.

Die "Too big to fail"-Refinanzierungsvorteile der systemrelevanten Banken führen dazu, dass diese höhere Gewinne erzielen. Diese Gewinne gehen auf die implizite Garantie der Steuerzahler zurück und nicht auf die Leistung der Mitarbeiter. Da dies den Aktionären aber oft nicht bewusst ist, werden die Gewinne als Begründung herangezogen, um den Mitarbeitern höhere Boni zu zahlen, wie Ökonomen der Bank von England berichten. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie der OECD.

8. "Too big to fail" hängt nicht ausschließlich von der Bankengröße ab.

Die Systemrelevanz einer Bank wird zu rund 80 Prozent vom Umfang ihrer Bilanzsumme bestimmt. Aber auch andere Faktoren haben einen spürbaren Einfluss darauf, ob eine Bank "Too big to fail" wird, wie die Federal Reserve Bank of Cleveland berichtet. Hierzu zählen Komplexität und Internationalität des Geschäfts, Verflechtungen mit anderen Banken sowie hohe Marktanteile in speziellen Geschäftsfeldern wie der Wertpapierverwahrung.

9. Das "Too big to fail"-Problem ist in Europa besonders ausgeprägt.

Im Jahr 2012 waren die Refinanzierungsvorteile der systemrelevanten europäischen Großbanken rund viermal so hoch wie die der US-Institute, wie eine Untersuchung des IWF ergab. Dass in Europa die "Too big to fail"-Vorteile der systemrelevanten Banken gegenüber anderen Instituten besonders ausgeprägt sind, bestätigt eine Studie der finnischen Zentralbank.

10. Mangelnde Proportionalität in der EU-Bankenregulierung verschärft das "Too big to fail"-Problem.

Die EU unterwirft auch kleine, risikoarme Kreditinstitute den komplexen Regelwerken des Basler Ausschusses, obwohl diese eigentlich nur für systemrelevante Banken gedacht sind. Deren Umsetzung verursacht hohe Kosten, die nur begrenzt abhängig sind von der Größe einer Bank. Kleine Banken sehen sich deswegen gezwungen, deutlich zu wachsen, um die Belastungen aus der Regulierung zu reduzieren, beispielsweise durch Fusionen. Somit verschärfe die EU das "Too big to fail"-Problem weiter, warnt Jon Danielsson, Direktor am Zentrum für Systemrisiken (Systemic Risk Centre) der London School of Economics.

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Stefanie Schulte Profil bild
Referentin Grundsatzfragen Bankaufsichtsrecht

Stefanie Schulte

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