- 02.02.2024
- Politische Positionen
Politik trifft Praxis mit Daniela Schmitt
Mainz. Dass beim ersten „Politik trifft Praxis“ des Jahres 2024 bundesweite Bauernproteste ein zentrales Thema werden…
WeiterlesenGemeinsames Positionspapier von IHKs und Kreditwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern
Ausgangslage
Die von der Corona-Pandemie direkt oder indirekt betroffenen Unternehmen haben ab Mitte März 2020 erste deutliche Umsatzeinbrüche in Kauf nehmen müssen. Mit der zweiten Infektionswelle ab Oktober 2020 haben sich erneut Geschäftsrückgänge verstärkt. In zahlreichen Fällen hat dies zu Verlusten und bei rund 40% der Unternehmen zu Rückgängen des Eigenkapitals geführt.
Entsprechend haben Bund und Land Stützungsmaßnahmen für Unternehmen, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort oder den Arbeitsmarkt in Deutschland hätte, in Form von Bürgschaften, Rekapitalisierungen und Beteiligungen vorgesehen:
Problem
Die aufgeführten eigenkapitalverstärkenden Programme setzen an den richtigen Stellen an. Sie bieten jedoch nur einer begrenzten Zahl an Betrieben Lösungen. Der Mittelstand benötigt in seiner Breite die Unterstützung bei der Eigenkapitalstärkung. Denn mit der zweiten Coronawelle wird die Belastungsfähigkeit (Resilienz) innerhalb kürzester Zeit erneut gefordert. Die bereits aufgelaufenen und nun erneut entstehenden Verluste müssen durch Eigenkapital kompensiert werden. Bisher gesunde mittelständische Unternehmen geraten andernfalls absehbar in eine Überschuldungssituation. Außerdem werden KMU nur mit einem ausreichenden Kapitalpuffer (und entsprechenden Ratings) künftig neues (nicht staatlich garantiertes) Fremdkapital akquirieren können.
Lösungsvorschlag
Mehrere Maßnahmen zur Stärkung der Eigenkapital-Situation im Mittelstand bieten sich an. Unter Berücksichtigung von diversen Faktoren, wie Umsetzungsgeschwindigkeit, die Möglichkeit zu kriteriengestützter Einzelfallprüfungen, der Zielgenauigkeit, Exitmöglichkeiten, aufsichtsrechtlichen Aspekte und ordnungspolitische Erwägungen, sollten folgende Maßnahmen priorisiert erwogen werden:
Der wichtigste Baustein ist die Ausweitung der Möglichkeit zum Verlustrücktrag mindestens in die letzten drei bis fünf Jahre und die Erhöhung der Begrenzung auf mindestens 10 Mio. Euro. Daraus resultierende Steuerrückerstattungen werden sofort eigenkapitalwirksam und können helfen, noch in diesem Jahr die Verluste auszugleichen.
praxisgerecht ausgestalten:
Hier gilt es, auf EU-Ebene bei der Definition „Unternehmen in Schwierigkeiten“ nachzusteuern. Außerdem sollten die Regelungen im EU-Beihilferecht angepasst werden.
Wir setzen uns dafür ein, dass diese ergänzenden Maßnahmen auf Bundes- und EU-Ebene vorangebracht werden, um damit auch dem Mittelstand eine zukunftsfähige Eigenkapitalversorgung zu ermöglichen.
Zu den Forderungen im Detail
Die steuerliche Verlustverrechnung sollte ausgeweitet werden, um den Betrieben einen Neustart zu erleichtern. Es ist gut, dass vom Gesetzgeber der Verlustrücktrag für 2020 und 2021 auf 5 Mio. Euro (bzw. 10 Mio. Euro bei Zusammenveranlagung) erweitert wurde. Das rücktragbare Verlustvolumen sollte aber auf mindestens 10 Mio. Euro weiter erhöht und ein Rücktrag nicht nur für 2019, sondern mindestens in die letzten drei bis fünf Jahre ermöglicht werden. Zudem ist eine zumindest temporäre Aussetzung der Mindestbesteuerung geboten. Ein weiteres wesentliches Hemmnis ist der drohende Verlustuntergang bei Anteilseignerwechseln. In der Krise werden dadurch wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen, wie der Eintritt neuer Investoren in notleidende Betriebe, behindert. Deshalb sollte der Verlustuntergang auf wirkliche Missbrauchsfälle beschränkt werden. Ergänzend zur Ausweitung der Verlustverrechnung sollte ferner die Möglichkeit geschaffen werden, eine steuerfreie „Corona-Rücklage“ im Jahresabschluss 2019 und 2020 zu bilden. Von einer „Corona-Rücklage“ sollten auch alle nicht bilanzierungspflichtigen Unternehmen, die ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, profitieren, indem ein ähnlicher Abzugsposten analog zu § 7g EStG etabliert wird.
Priorität 1:
Aufgrund der schnellen Wirksamkeit und des sofort möglichen Verlustausgleichs sowie der Fokussierung auf zukunftsfähige, erfolgreiche Unternehmen, die coronabedingte Verluste erlitten haben, hat diese Maßnahme absolute Priorität. Es werden diejenigen belohnt, die ihre Erträge in der Vergangenheit am Standort Deutschland versteuert haben und keine „Steuervermeidungsstrategien“ verfolgt haben. Dies hätte auch Anreizwirkung für die Zukunft. Eine Umsetzung könnte zeitnah über bestehende Strukturen bei den Finanzämtern erfolgen. Dies entspricht auch den Analysen des Sachverständigenrates.
Der Zugang zu Corona-Hilfen hängt maßgeblich von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens vor der Corona-Krise ab. Gesellschaften, die schon zuvor nach EU-Definition als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ galten, d.h. bei denen mehr als die Hälfte des Eigenkapitals aufgebraucht ist, haben keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung. Diese Intention ist grundsätzlich richtig, allerdings werden durch eine unzureichende EU-Definition auch zahlreiche KMU ausgeschlossen, die berechtigterweise Hilfen erhalten sollten. Denn die EU-Definition berücksichtigt nur unzureichend die zulässigen Richtlinien der HGB-Bilanzierung, die vor allem bei KMU in Deutschland angewandt werden. Zudem werden die für die Kreditwirtschaft üblichen Bewertungskriterien für die Beurteilung, ob sich ein Unternehmen in Schwierigkeiten befindet, nicht umfassend gewürdigt. So dürfen Gesellschafterdarlehen und häufig auch andere eigenkapitalähnliche Nachrangdarlehen trotz Vorliegen einer Darlehensbelassungs- und Rangrücktrittserklärung nicht den Eigenmitteln zugerechnet werden. Bei der Definition ist auch zu berücksichtigen, dass diese sich überwiegend an Kapitalgesellschaften und weniger an Personengesellschaften richten. Bei den Personengesellschaften werden keine Lohnkosten für den Unternehmer bei der Beurteilung der finanziellen Schwierigkeiten berücksichtigt, da der Unternehmerlohn nach deutscher Steuergesetzgebung immer der zu versteuernde Gewinn ist.
Um diesen Unternehmen den Zugang zu Corona-Hilfen zu ermöglichen, sollte die Definition für „Unternehmen in Schwierigkeiten“ vereinfacht werden. So wäre es zum Beispiel möglich, die Definition auf solche Unternehmen einzuschränken, die Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sind. Diese vereinfachte Regelung ist nach der De-minimis-Beihilfe-Regelung für Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten schon heute möglich und wird von einigen Förderbanken (nicht KfW) bei der Antragsprüfung aktuell so ausgelegt.
Durch eine Nachbesserung der Definition könnten zahlreiche sinnvolle Geschäftsfortführungen ermöglicht werden.
Unterstützend sollte auch der Ausschluss von „Unternehmen in Schwierigkeiten“ nach jetziger Definition in den Förderprogrammen (siehe hierzu MBMV Sonderunterstützung KfW 2020) überdacht bzw. neu gefasst werden.
Unternehmen haben im Einzelfall die Möglichkeit, den De-minimis Betrag i.H.v. 200.000 Euro mit Kleinbeihilfen i.H.v. 800.000 Euro zu kumulieren und haben dann ein Anrecht auf eine Förderung von bis zu 1 Mio. Euro. Das muss jedoch bisher auf Einzelfallebene geprüft werden. Es sollte eine pauschale Behandlung mit einer Fördergrenze bis 1 Mio. Euro für einen befristeten Zeitraum eingeführt werden oder generell in die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) einbezogen werden.
Die Corona-Zuschüsse, Förderdarlehen sowie Nachrangdarlehen der Förderinstitute können nur ihre volle Wirkung entfalten, wenn bei den Corona-Krediten (z.B. beim Schnellkredit mit 100 % Haftungsfreistellung) lediglich der Subventionsbetrag angesetzt wird und nicht der Nominalbetrag. Denn nur dann kann die in den meisten Fällen bereits getätigte Fremdkapitalfinanzierung auch mit einer Corona-Eigenkapitalfazilität kombiniert werden.
Sollte dies nicht zur Umsetzung kommen, muss zumindest die teilweise Tilgung mit Verzicht auf Vorfälligkeitsentschädigung grundsätzlich ermöglicht werden. Dies ist notwendig für Fälle, in denen weitere Corona-Zuschüsse geflossen sind oder wenn Corona-Eigenkapitalprogramme genutzt werden.
Fast 80% der Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern haben weniger als 10 Mitarbeiter. Sie sind demzufolge von den Möglichkeiten, die der Wirtschaftsstabilisierungsfonds ausgeschlossen. Oft ist auch eine Direktbeteiligung nicht passgenau. Besser ist für die Zielgruppe des kleineren Mittelstandes in Corona-Zeiten ein kreditnahes Produkt mit Nachrang- bzw. Eigenkapitalcharakter, das bei den Ratings anerkannt wird. Hier wäre ein Programm zu lancieren, dass über die eingeschränkten Möglichkeiten aus Säule-II hinausgeht.
Zugleich wäre eine Verstetigung des derzeitigen Programms „MBMV Sonderunterstützung KfW 2020“ in Form eines generellen Instruments zur nachhaltigen Belebung einer Startup-Kultur anzuregen. In Form eines revolvierenden Fonds könnten mittel- und langfristig neue Vorhaben aus dem Fondsvolumen begleitet werden.
Für die Zielgruppe des kleineren Mittelstandes in Corona-Zeiten wäre ein kreditnahes Produkt mit Nachrang- bzw. Eigenkapitalcharakter, das bei den Ratings anerkannt wird, sinnvoll. Hier käme beispielsweise eine Modifikation des KfW-Programms „ERP-Mezzanine für Innovation“ in Betracht. Im Rahmen des Förderumfangs von 5 Mio. Euro sollten die bisherigen 60%-Mezzanineanteile durch die KfW auf 80% aufgestockt werden, gekoppelt mit 20% Hausbankkredit. Nachdem jeweils die finanzierende Bank mit ins Ausfallrisiko geht, erscheinen diese Anpassungen vertretbar.
Für Gründer gibt es mit dem „ERP Kapital für Gründung“ ein passendes Angebot, das jedoch eine viel breitere Nutzung erfahren sollte als es bislang mit lediglich rd. 400 Zusagen pro Jahr der Fall ist. Daher ist es positiv, dass im ERP-Wirtschaftsplan eine Aufstockung des Volumens von 94 Mio. Euro auf 150 Mio. Euro angedacht ist. Das ist jedoch bei Weitem nicht ausreichend. Hier wären Anpassungen bei den Zugangskriterien erforderlich, wie z. B. Nutzung auch für Kapitalgesellschaften, kein Ausschluss der Betriebsmittelfinanzierung. Auch über eine Erhöhung der Quote der über das Programm finanzierbaren Kosten (derzeit 40%), könnte nachgedacht werden.
Abteilungsleiter Kommunikation, Marketing, Politik
Mainz. Dass beim ersten „Politik trifft Praxis“ des Jahres 2024 bundesweite Bauernproteste ein zentrales Thema werden…
WeiterlesenGemeinsam für eine erfolgreiche Energiewende: Verbände legen Vorschlag für Beteiligungsgesetze vor
WeiterlesenDer Genossenschaftsverband war als Sachverständiger in den Landtag nach Düsseldorf geladen zur Anhörung. Es ging um das neue Bürgerenergiegesetz, das den Windkraft-Ausbau fairer gestalten soll.
Weiterlesen