Politische Positionen

Positionspapier Mecklenburg-Vorpommern: Eigenkapital im Mittelstand stärken

  • 14.01.2021
  • Politische Positionen
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Gemeinsames Positionspapier von IHKs und Kreditwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern

Ausgangslage

Die von der Corona-Pandemie direkt oder indirekt betroffenen Unternehmen haben ab Mitte März 2020 erste deutliche Umsatzeinbrüche in Kauf nehmen müssen. Mit der zweiten Infektionswelle ab Oktober 2020 haben sich erneut Geschäftsrückgänge verstärkt. In zahlreichen Fällen hat dies zu Verlusten und bei rund 40% der Unternehmen zu Rückgängen des Eigenkapitals geführt.

Entsprechend haben Bund und Land Stützungsmaßnahmen für Unternehmen, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort oder den Arbeitsmarkt in Deutschland hätte, in Form von Bürgschaften, Rekapitalisierungen und Beteiligungen vorgesehen:

  • Der 600 Mrd. Euro schwere Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) richtet sich dabei an größere Unternehmen (mit i.d.R. über 250 Mitarbeitern) der Realwirtschaft.
  • Zudem nutzt die MBG Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern GmbH (ergänzend zu ihrem sonstigen Produktportfolio) das 2 Mrd. Euro Bundesprogramm für Startups und KMU, um über das Programm „MBMV Sonderunterstützung KfW 2020“ auch für den kleineren Mittelstand Eigenkapitalmittel i.H.v. bis zu 800.000 Euro in Form von stillen und offenen Beteiligungen bereitzustellen.

Problem

Die aufgeführten eigenkapitalverstärkenden Programme setzen an den richtigen Stellen an. Sie bieten jedoch nur einer begrenzten Zahl an Betrieben Lösungen. Der Mittelstand benötigt in seiner Breite die Unterstützung bei der Eigenkapitalstärkung. Denn mit der zweiten Coronawelle wird die Belastungsfähigkeit (Resilienz) innerhalb kürzester Zeit erneut gefordert. Die bereits aufgelaufenen und nun erneut entstehenden Verluste müssen durch Eigenkapital kompensiert werden. Bisher gesunde mittelständische Unternehmen geraten andernfalls absehbar in eine Überschuldungssituation. Außerdem werden KMU nur mit einem ausreichenden Kapitalpuffer (und entsprechenden Ratings) künftig neues (nicht staatlich garantiertes) Fremdkapital akquirieren können.

Lösungsvorschlag

Mehrere Maßnahmen zur Stärkung der Eigenkapital-Situation im Mittelstand bieten sich an. Unter Berücksichtigung von diversen Faktoren, wie Umsetzungsgeschwindigkeit, die Möglichkeit zu kriteriengestützter Einzelfallprüfungen, der Zielgenauigkeit, Exitmöglichkeiten, aufsichtsrechtlichen Aspekte und ordnungspolitische Erwägungen, sollten folgende Maßnahmen priorisiert erwogen werden:

  1. Steuerliche Verlustberücksichtigung verbessern und weitere steuerliche Maßnahmen zur Eigenkapitalstärkung umsetzen:

Der wichtigste Baustein ist die Ausweitung der Möglichkeit zum Verlustrücktrag mindestens in die letzten drei bis fünf Jahre und die Erhöhung der Begrenzung auf mindestens 10 Mio. Euro. Daraus resultierende Steuerrückerstattungen werden sofort eigenkapitalwirksam und können helfen, noch in diesem Jahr die Verluste auszugleichen.

  1. Regulatorische Vorgaben bei den Eigenkapitalanforderungen in Bezug auf Unternehmen

praxisgerecht ausgestalten:

Hier gilt es, auf EU-Ebene bei der Definition „Unternehmen in Schwierigkeiten“ nachzusteuern. Außerdem sollten die Regelungen im EU-Beihilferecht angepasst werden.

  1. Ein kreditnahes Produkt mit Nachrang- bzw. Eigenkapitalcharakter auflegen und die Zugangskriterien für das KfW-Programm „ERP-Mezzanine für Innovation“ sowie das KfW-Programm „ERP-Kapital für Gründung“ erweitern sowie praxisnah gestalten. Zugleich MBG-Instrumentarium stärken.

  1. Zukunftsfähige Restrukturierungen auch für kleine Unternehmen ermöglichen.

  1. Zur Gewinnung von privatem Kapital ist es notwendig den Verkauf von Kapitalanteilen von bis zu 20% steuerfrei zu stellen.

Wir setzen uns dafür ein, dass diese ergänzenden Maßnahmen auf Bundes- und EU-Ebene vorangebracht werden, um damit auch dem Mittelstand eine zukunftsfähige Eigenkapitalversorgung zu ermöglichen.

Zu den Forderungen im Detail

  1. Steuerlichen Verlustrücktrag und weitere steuerliche Maßnahmen zur Eigenkapitalstärkung umsetzen:
  • Verlustberücksichtigung verbessern:

Die steuerliche Verlustverrechnung sollte ausgeweitet werden, um den Betrieben einen Neustart zu erleichtern. Es ist gut, dass vom Gesetzgeber der Verlustrücktrag für 2020 und 2021 auf 5 Mio. Euro (bzw. 10 Mio. Euro bei Zusammenveranlagung) erweitert wurde. Das rücktragbare Verlustvolumen sollte aber auf mindestens 10 Mio. Euro weiter erhöht und ein Rücktrag nicht nur für 2019, sondern mindestens in die letzten drei bis fünf Jahre ermöglicht werden. Zudem ist eine zumindest temporäre Aussetzung der Mindestbesteuerung geboten. Ein weiteres wesentliches Hemmnis ist der drohende Verlustuntergang bei Anteilseignerwechseln. In der Krise werden dadurch wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen, wie der Eintritt neuer Investoren in notleidende Betriebe, behindert. Deshalb sollte der Verlustuntergang auf wirkliche Missbrauchsfälle beschränkt werden. Ergänzend zur Ausweitung der Verlustverrechnung sollte ferner die Möglichkeit geschaffen werden, eine steuerfreie „Corona-Rücklage“ im Jahresabschluss 2019 und 2020 zu bilden. Von einer „Corona-Rücklage“ sollten auch alle nicht bilanzierungspflichtigen Unternehmen, die ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, profitieren, indem ein ähnlicher Abzugsposten analog zu § 7g EStG etabliert wird.

  • Um die Eigenkapitalbasis der kleinen und mittleren Betriebe zielgerichtet und nachhaltig zu stärken, ist die sog. Thesaurierungsrücklage mittelstandsfreundlich und praxisgerecht fortzuentwickeln. Die Voraussetzungen für die Bildung von Eigenkapital sind zu verbessern, da nach der derzeitigen Ausgestaltung nur wenige auf Dauer ertragsstarke Personenunternehmen die Regelung zur Begünstigung nicht entnommener Gewinne nutzen können.

Priorität 1:

Aufgrund der schnellen Wirksamkeit und des sofort möglichen Verlustausgleichs sowie der Fokussierung auf zukunftsfähige, erfolgreiche Unternehmen, die coronabedingte Verluste erlitten haben, hat diese Maßnahme absolute Priorität. Es werden diejenigen belohnt, die ihre Erträge in der Vergangenheit am Standort Deutschland versteuert haben und keine „Steuervermeidungsstrategien“ verfolgt haben. Dies hätte auch Anreizwirkung für die Zukunft. Eine Umsetzung könnte zeitnah über bestehende Strukturen bei den Finanzämtern erfolgen. Dies entspricht auch den Analysen des Sachverständigenrates.

  1. Regulatorische Vorgaben bei den Eigenkapitalanforderungen in Bezug auf Unternehmen praxisgerecht ausgestalten:
  • Definition von „Unternehmen in Schwierigkeiten“ anpassen

Der Zugang zu Corona-Hilfen hängt maßgeblich von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens vor der Corona-Krise ab. Gesellschaften, die schon zuvor nach EU-Definition als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ galten, d.h. bei denen mehr als die Hälfte des Eigenkapitals aufgebraucht ist, haben keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung. Diese Intention ist grundsätzlich richtig, allerdings werden durch eine unzureichende EU-Definition auch zahlreiche KMU ausgeschlossen, die berechtigterweise Hilfen erhalten sollten. Denn die EU-Definition berücksichtigt nur unzureichend die zulässigen Richtlinien der HGB-Bilanzierung, die vor allem bei KMU in Deutschland angewandt werden. Zudem werden die für die Kreditwirtschaft üblichen Bewertungskriterien für die Beurteilung, ob sich ein Unternehmen in Schwierigkeiten befindet, nicht umfassend gewürdigt. So dürfen Gesellschafterdarlehen und häufig auch andere eigenkapitalähnliche Nachrangdarlehen trotz Vorliegen einer Darlehensbelassungs- und Rangrücktrittserklärung nicht den Eigenmitteln zugerechnet werden. Bei der Definition ist auch zu berücksichtigen, dass diese sich überwiegend an Kapitalgesellschaften und weniger an Personengesellschaften richten. Bei den Personengesellschaften werden keine Lohnkosten für den Unternehmer bei der Beurteilung der finanziellen Schwierigkeiten berücksichtigt, da der Unternehmerlohn nach deutscher Steuergesetzgebung immer der zu versteuernde Gewinn ist.

Um diesen Unternehmen den Zugang zu Corona-Hilfen zu ermöglichen, sollte die Definition für „Unternehmen in Schwierigkeiten“ vereinfacht werden. So wäre es zum Beispiel möglich, die Definition auf solche Unternehmen einzuschränken, die Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sind. Diese vereinfachte Regelung ist nach der De-minimis-Beihilfe-Regelung für Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten schon heute möglich und wird von einigen Förderbanken (nicht KfW) bei der Antragsprüfung aktuell so ausgelegt.

Durch eine Nachbesserung der Definition könnten zahlreiche sinnvolle Geschäftsfortführungen ermöglicht werden.

Unterstützend sollte auch der Ausschluss von „Unternehmen in Schwierigkeiten“ nach jetziger Definition in den Förderprogrammen (siehe hierzu MBMV Sonderunterstützung KfW 2020) überdacht bzw. neu gefasst werden.

  • Regelungen im EU-Beihilferecht anpassen

Unternehmen haben im Einzelfall die Möglichkeit, den De-minimis Betrag i.H.v. 200.000 Euro mit Kleinbeihilfen i.H.v. 800.000 Euro zu kumulieren und haben dann ein Anrecht auf eine Förderung von bis zu 1 Mio. Euro. Das muss jedoch bisher auf Einzelfallebene geprüft werden. Es sollte eine pauschale Behandlung mit einer Fördergrenze bis 1 Mio. Euro für einen befristeten Zeitraum eingeführt werden oder generell in die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) einbezogen werden.

Die Corona-Zuschüsse, Förderdarlehen sowie Nachrangdarlehen der Förderinstitute können nur ihre volle Wirkung entfalten, wenn bei den Corona-Krediten (z.B. beim Schnellkredit mit 100 % Haftungsfreistellung) lediglich der Subventionsbetrag angesetzt wird und nicht der Nominalbetrag. Denn nur dann kann die in den meisten Fällen bereits getätigte Fremdkapitalfinanzierung auch mit einer Corona-Eigenkapitalfazilität kombiniert werden.

Sollte dies nicht zur Umsetzung kommen, muss zumindest die teilweise Tilgung mit Verzicht auf Vorfälligkeitsentschädigung grundsätzlich ermöglicht werden. Dies ist notwendig für Fälle, in denen weitere Corona-Zuschüsse geflossen sind oder wenn Corona-Eigenkapitalprogramme genutzt werden.

  1. Nachrangdarlehen auf Landesebene schaffen, „ERP Mezzanine für Innovation“ für den Mittelstand zugänglich machen, „ERP Kapital für Gründung“ praxisnah gestalten:
  • Kreditnahes Produkt mit Nachrang- bzw. Eigenkapitalcharakter für KMU schaffen:

Fast 80% der Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern haben weniger als 10 Mitarbeiter. Sie sind demzufolge von den Möglichkeiten, die der Wirtschaftsstabilisierungsfonds ausgeschlossen. Oft ist auch eine Direktbeteiligung nicht passgenau. Besser ist für die Zielgruppe des kleineren Mittelstandes in Corona-Zeiten ein kreditnahes Produkt mit Nachrang- bzw. Eigenkapitalcharakter, das bei den Ratings anerkannt wird. Hier wäre ein Programm zu lancieren, dass über die eingeschränkten Möglichkeiten aus Säule-II hinausgeht.

Zugleich wäre eine Verstetigung des derzeitigen Programms „MBMV Sonderunterstützung KfW 2020“ in Form eines generellen Instruments zur nachhaltigen Belebung einer Startup-Kultur anzuregen. In Form eines revolvierenden Fonds könnten mittel- und langfristig neue Vorhaben aus dem Fondsvolumen begleitet werden.

  • KfW-Programm „ERP-Mezzanine für Innovation“ anpassen:

Für die Zielgruppe des kleineren Mittelstandes in Corona-Zeiten wäre ein kreditnahes Produkt mit Nachrang- bzw. Eigenkapitalcharakter, das bei den Ratings anerkannt wird, sinnvoll. Hier käme beispielsweise eine Modifikation des KfW-Programms „ERP-Mezzanine für Innovation“ in Betracht. Im Rahmen des Förderumfangs von 5 Mio. Euro sollten die bisherigen 60%-Mezzanineanteile durch die KfW auf 80% aufgestockt werden, gekoppelt mit 20% Hausbankkredit. Nachdem jeweils die finanzierende Bank mit ins Ausfallrisiko geht, erscheinen diese Anpassungen vertretbar.

  • KfW-Programm „ERP Kapital für Gründung“ anpassen:

Für Gründer gibt es mit dem „ERP Kapital für Gründung“ ein passendes Angebot, das jedoch eine viel breitere Nutzung erfahren sollte als es bislang mit lediglich rd. 400 Zusagen pro Jahr der Fall ist. Daher ist es positiv, dass im ERP-Wirtschaftsplan eine Aufstockung des Volumens von 94 Mio. Euro auf 150 Mio. Euro angedacht ist. Das ist jedoch bei Weitem nicht ausreichend. Hier wären Anpassungen bei den Zugangskriterien erforderlich, wie z. B. Nutzung auch für Kapitalgesellschaften, kein Ausschluss der Betriebsmittelfinanzierung. Auch über eine Erhöhung der Quote der über das Programm finanzierbaren Kosten (derzeit 40%), könnte nachgedacht werden.

  • Instrument der MBG Mecklenburg-Vorpommern über die Start-up-Hilfen hinaus erweitern:

    Um die Eigenkapitalstärkung des kleineren Mittelstandes durch die MBGen in der Krise zusätzlich zu unterstützen, hat der Bund gemeinsam mit den Ländern eine Anpassung der aktuell geltenden Rückgarantieerklärungen ab dem 1. November 2020 beschlossen. Die wesentlichen Erleichterungen sind u.a. der Wegfall der Eigenkapitalparität, Möglichkeit zur Finanzierung von Betriebsmitteln und die Kombination mit dem KfW-Schnellkredit. Für diese Erleichterungen erhebt der Bund ein Entgelt in Höhe von 0,5% der eingenommenen gewinnabhängigen Entgelte (von Beteiligungen größer 200.000 Euro). Die Anpassung der Rückgarantieerklärung sollte auf Landesebene zeitnah bestätigt werden. Darüber hinaus sollte die von den Gesellschaftern im Rahmen der Beteiligungs- oder Bürgschaftsübernahme geforderte persönliche Haftungsübernahme auf eine wirtschaftlich angemessene Höhe vereinheitlicht werden. Um die bei Banken besonders wichtige Prozessvereinfachung zu ermöglichen, wäre bei der Bürgschaftsübernahme eine Streichung der sogenannten „Offenhaltungsklausel“ dringend erforderlich.

    Mikromezzanin stellt zudem einen wichtigen Baustein für Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern dar. Hier sollte unabhängig von bereits bestehenden Erhöhungen aufgrund bestimmter Merkmale (ESF-Zielgruppenmerkmal) die Möglichkeit geschaffen werden, dass Nachrangdarlehen grundsätzlich bis zu einem Volumen von 100.000 EUR über das Mikromezzanin-Programm ausgereicht werden können.

  1. Zukunftsfähige Restrukturierungen auch für kleine Unternehmen ermöglichen:
  • Bei überschaubarer Gläubigerzahl könnte durch den Einsatz von Sanierungsmediation eine Insolvenz vermieden und die Fortführung von Betrieben ermöglicht werden. Nachdem mit einer erhöhten Insolvenzzahl durch die Corona-Pandemie zu rechnen ist, könnte Gläubigern und Unternehmern dadurch geholfen und Gerichte entlastet werden. Die Kammern können mit ihrem Wissen aus dem KfW-Förderprogramm „Unternehmen in Schwierigkeiten“ den Mediationsprozess für den Gläubiger wie für den Schuldner unterstützen.
  1. Steuerfreier Anteilsverkauf
  • Zur Gewinnung von privatem Kapital, speziell für Unternehmen in Schwierigkeiten, sollte bei einem späteren Anteilsverkauf dieser für einen Kapitalanteil von bis zu 20% steuerfrei sein. Damit würde das Risiko des privaten Kapitalgebers, ein in Schwierigkeiten befindliches Unternehmen zu finanzieren, fördertechnisch gewürdigt werden.

Sprechen Sie hierzu gerne an:

Daniel Illerhaus Profil bild
Pressesprecher Verband

Daniel Illerhaus

Abteilungsleiter Kommunikation, Marketing, Politik

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