Politische Positionen

Positionspapier Brandenburg: Eigenkapital im Mittelstand stärken

  • 12.10.2020
  • Politische Positionen
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Gemeinsames Positionspapier von IHKs und Kreditwirtschaft in Brandenburg

Ausgangslage

Die von der Corona-Pandemie direkt oder indirekt betroffenen Unternehmen haben ab Mitte März 2020 Umsatzeinbrüche in Kauf nehmen müssen. In zahlreichen Fällen hat dies zu Verlusten und bei rund der Hälfte der Unternehmen zu Rückgängen des Eigenkapitals geführt.

Entsprechend haben Bund und Land Stützungsmaßnahmen für Unternehmen, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort oder den Arbeitsmarkt in Deutschland

hätte, in Form von Bürgschaften, Rekapitalisierungen und Beteiligungen vorgesehen:

  • Der 600 Mrd. Euro schwere Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) richtet sich dabei an größere Unternehmen (mit i.d.R. über 250 Mitarbeitern)2 der Realwirtschaft.
  • Das Programm „Corona Mezzanine Brandenburg“ nutzt das 2 Mrd. Euro Bundesprogramm für Startups und KMU, um auch für den kleineren Mittelstand Eigenkapitalmittel i.H.v. bis zu 750.000 Euro bereitzustellen.

Ergänzend bietet auf Landesebene das Programm „Brandenburg-Kredit Mezzanine“ Nachrangdarlehen bis maximal 3,25 Mio. Euro für den Mittelstand (gem. EU-Definition) an.

Problem

Die aufgeführten eigenkapitalverstärkenden Programme setzen an den richtigen Stellen an. Sie bieten jedoch nur einer begrenzten Zahl an Betrieben Lösungen. Der Mittelstand benötigt allerdings in seiner Breite die Unterstützung bei der Eigenkapitalstärkung. Denn nach dem „Wiederhochfahren“ der Wirtschaft kann die Leistungsfähigkeit im Mittelstand nur dann schnell wiederhergestellt werden, wenn die aufgelaufenen Verluste durch Eigenkapital kompensiert werden. Bisher gesunde mittelständische Unternehmen geraten ansonsten unverschuldet in eine Überschuldungssituation. Außerdem werden KMU nur mit einem ausreichenden Kapitalpuffer (und entsprechenden Ratings) künftig neues (nicht staatlich garantiertes) Fremdkapital akquirieren können.

Lösungsvorschlag

Mehrere Maßnahmen zur Stärkung der Eigenkapital-Situation im Mittelstand bieten sich an. Unter Berücksichtigung von diversen Faktoren, wie Umsetzungsgeschwindigkeit, die Möglichkeit zu kriteriengestützter Einzelfallprüfungen, der Zielgenauigkeit, Exitmöglichkeiten, aufsichtsrechtlichen Aspekte und ordnungspolitische Erwägungen, sollten folgende Maßnahmen priorisiert erwogen werden:

  1. Steuerliche Verlustberücksichtigung verbessern und weitere steuerliche Maßnahmen zur Eigenkapitalstärkung umsetzen: Der wichtigste Baustein ist die Ausweitung der Möglichkeit zum Verlustrücktrag mindestens in die letzten drei bis fünf Jahre und die Erhöhung der Begrenzung auf mindestens 10 Mio. Euro. Daraus resultierende Steuerrückerstattungen werden sofort eigenkapitalwirksam und können helfen, noch in diesem Jahr die Verluste auszugleichen.
  2. Regulatorische Vorgaben bei den Eigenkapitalanforderungen in Bezug auf Unternehmen praxisgerecht ausgestalten: Hier gilt es, auf EU-Ebene bei der Definition „Unternehmen in Schwierigkeiten“ nachzusteuern. Außerdem sollten die Regelungen im EU-Beihilferecht angepasst werden.
  3. Ein kreditnahes Produkt mit Nachrang- bzw. Eigenkapitalcharakter auflegen und die Zugangskriterien für das KfW-Programm „ERP-Mezzanine für Innovation“ sowie das KfW-Programm „ERP-Kapital für Gründer“ erweitern sowie praxisnah gestalten.
  4. Zukunftsfähige Restrukturierungen auch für kleine Unternehmen ermöglichen.
  5. Zur Gewinnung von privatem Kapital ist es notwendig den Verkauf von Kapitalanteilen von bis zu 20% steuerfrei zu stellen.

Wir setzen uns dafür ein, dass diese ergänzenden Maßnahmen auf Bundes- und EU-Ebene vorangebracht werden, um damit auch dem Mittelstand eine zukunftsfähige Eigenkapitalversorgung zu ermöglichen. In einem ersten Schritt könnten etwa für die Überbrückungshilfe eingeplante, aber nicht abgerufenen Mittel für die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen eingesetzt werden.

Zu den Forderungen im Detail

  1. Steuerlichen Verlustrücktrag und weitere steuerliche Maßnahmen zur Eigenkapitalstärkung umsetzen:
  • Verlustberücksichtigung verbessern:

Die steuerliche Verlustverrechnung sollte ausgeweitet werden, um den Betrieben einen Neustart zu erleichtern. Es ist gut, dass vom Gesetzgeber der Verlustrücktrag für 2020 und 2021 auf 5 Mio. Euro (bzw. 10 Mio. Euro bei Zusammenveranlagung) erweitert wurde. Das rücktrag- bare Verlustvolumen sollte aber auf mindestens 10 Mio. Euro weiter erhöht und ein Rücktrag nicht nur für 2019, sondern mindestens in die letzten drei bis fünf Jahre ermöglicht werden. Zudem ist eine zumindest temporäre Aussetzung der Mindestgewinnbesteuerung geboten. Ein weiteres wesentliches Hemmnis ist der drohende Verlustuntergang bei Anteilseignerwechseln. In der Krise werden dadurch wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen, wie der Eintritt neuer Investoren in notleidende Betriebe, behindert. Deshalb sollte der Verlustuntergang auf wirkliche Missbrauchsfälle beschränkt werden. Ergänzend zur Ausweitung der Verlustverrechnung sollte ferner die Möglichkeit geschaffen werden, eine steuerfreie „Corona-Rücklage“ im Jahresabschluss 2019 zu bilden. Von einer „Corona-Rücklage“ sollten auch alle nicht bilanzierungspflichtigen Unternehmen, die ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, profitieren, indem ein ähnlicher Abzugsposten analog zu § 7g EStG etabliert wird.

  • Um die Eigenkapitalbasis der kleinen und mittleren Betriebe zu stärken, ist die sog. Thesaurierungsrücklage mittelstandsfreundlich und praxisgerecht fortzuentwickeln. Die Voraussetzungen für die Bildung von Eigenkapital sind zu verbessern, da nach der derzeitigen Ausgestaltung nur wenige auf Dauer ertragsstarke Personenunternehmen die Regelung zur Begünstigung nicht entnommener Gewinne nutzen können.

Priorität 1:

Aufgrund der schnellen Wirksamkeit und des sofort möglichen Verlustausgleichs sowie der Fokussierung auf zukunftsfähige, erfolgreiche Unternehmen, die coronabedingte Verluste erlitten haben, hat diese Maßnahme absolute Priorität. Es werden diejenigen belohnt, die ihre Erträge in der Vergangenheit am Standort Deutschland versteuert haben und keine „Steuervermeidungsstrategien“ verfolgt haben. Dies hätte auch Anreizwirkung für die Zukunft. Eine Umsetzung könnte zeitnah über bestehende Strukturen bei den Finanzämtern erfolgen. Budgets wären durch Umwidmung aus nicht beanspruchten Mitteln bei der Überbrückungshilfe vorhanden.

  1. Regulatorische Vorgaben bei den Eigenkapitalanforderungen in Bezug auf Unternehmen praxisgerecht ausgestalten:
  • Definition von „Unternehmen in Schwierigkeiten“ anpassen

Der Zugang zu Corona-Hilfen hängt maßgeblich von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens vor der Corona-Krise ab. Gesellschaften, die schon zuvor nach EU-Definition als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ galten, d.h. bei denen mehr als die Hälfte des Eigenkapitals aufgebraucht ist, haben keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung. Diese Intention ist grundsätzlich richtig, allerdings werden durch eine unzureichende EU-Definition auch zahlreiche KMU ausgeschlossen, die berechtigterweise Hilfen erhalten sollten. Denn die EU-Definition berücksichtigt nur unzureichend die zulässigen Richtlinien der HGB-Bilanzierung, die vor allem bei KMU in Deutschland angewandt werden. Zudem werden die für die Kreditwirtschaft üblichen Bewertungskriterien für die Beurteilung, ob sich ein Unternehmen in Schwierigkeiten befindet, nicht umfassend gewürdigt. So dürfen Gesellschafterdarlehen und häufig auch andere eigenkapitalähnliche Nachrangdarlehen trotz Vorliegen einer Darlehensbelassungs- und Rangrücktrittserklärung nicht den Eigenmitteln zugerechnet werden. Bei der Definition ist auch zu berücksichtigen, dass diese sich überwiegend an Kapitalgesellschaften und weniger an Personengesellschaften richten. Bei den Personengesellschaften werden keine Lohnkosten für den Unternehmer bei der Beurteilung der finanziellen Schwierigkeiten berücksichtigt, da der Unternehmerlohn nach deutscher Steuergesetzgebung immer der zu versteuernde Gewinn ist.

Um diesen Unternehmen den Zugang zu Corona-Hilfen zu ermöglichen, sollte die Definition für „Unternehmen in Schwierigkeiten“ vereinfacht werden. So wäre es zum Beispiel möglich, die Definition auf solche Unternehmen einzuschränken, die Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sind. Diese vereinfachte Regelung ist nach der De-minimis-Beihilfe-Regelung für Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten5 schon heute möglich und wird von einigen Förderbanken (nicht KfW) bei der Antragsprüfung aktuell so ausgelegt.

Durch eine Nachbesserung der Definition könnten zahlreiche sinnvolle Geschäftsfortführungen ermöglicht werden.

Unterstützend sollte auch der Ausschluss von „Unternehmen in Schwierigkeiten“ nach jetziger Definition in den Brandenburger Förderprogrammen (siehe Brandenburg-Kredit Mezzanine, Corona Mezzanine Brandenburg) überdacht bzw. neu gefasst werden.

  • Regelungen im EU-Beihilferecht anpassen

Unternehmen haben im Einzelfall die Möglichkeit, den De-minimis Betrag i.H.v. 200.000 Euro mit Kleinbeihilfen i.H.v. 800.000 Euro zu kumulieren und haben dann ein Anrecht auf eine Förderung von bis zu 1 Mio. Euro. Das muss jedoch bisher auf Einzelfallebene geprüft werden. Es sollte eine pauschale Behandlung mit einer Fördergrenze bis 1 Mio. Euro für einen befristeten Zeitraum eingeführt werden oder generell in die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) einbezogen werden.

Die Corona-Zuschüsse, Förderdarlehen sowie Nachrangdarlehen der Förderinstitute können nur ihre volle Wirkung entfalten, wenn bei den Corona-Krediten (z.B. beim Schnellkredit mit 100 % Haftungsfreistellung) lediglich der Subventionsbetrag angesetzt wird und nicht der Nominalbetrag. Denn nur dann kann die in den meisten Fällen bereits getätigte Fremdkapitalfinanzierung auch mit einer Corona-Eigenkapitalfazilität kombiniert werden.

Sollte dies nicht zur Umsetzung kommen, muss zumindest die teilweise Tilgung mit Verzicht auf Vorfälligkeitsentschädigung ermöglicht werden. Dies ist notwendig für Fälle, in denen weitere Corona-Zuschüsse geflossen sind oder, wenn Corona-Eigenkapitalprogramme genutzt werden.

  1. Nachrangdarlehen, wie z.B. „ERP Mezzanine für Innovation“ für den Mittelstand zugänglich machen, „ERP Kapital für Gründer“ praxisnah gestalten:
  • ILB Corona-Mezzanine-Programm in der Zielgenauigkeit verbessern:

Rund 90% der Unternehmen in Brandenburg haben weniger als 10 Mitarbeiter. Das ILB Corona-Mezzanine-Programm sollte von daher in den Konditionen unternehmensfreundlicher gestaltet und mit höchst möglichen Finanzierungsvolumen ausgestatten werden. Auch sollte die Zusagen-Prüfung aufgrund der oft bestehenden Dringlichkeit auf die unbedingten Mindestanforderungen beschränkt sein und so kurzfristig wie möglich erfolgen.

  • KfW-Programm „ERP-Mezzanine für Innovation“ anpassen:

Für die Zielgruppe des kleineren Mittelstandes in Corona-Zeiten wäre ein kreditnahes Produkt mit Nachrang- bzw. Eigenkapitalcharakter, das bei den Ratings anerkannt wird, sinnvoll. Hier käme beispielsweise eine Modifikation des KfW-Programms „ERP-Mezzanine für Innovation “ in Betracht. Im Rahmen des Förderumfangs von 5 Mio. Euro sollten die bisherigen 60%-Mezzanineanteile durch die KfW auf 80% aufgestockt werden, gekoppelt mit 20% Hausbankkredit. Nachdem jeweils die finanzierende Bank mit ins Ausfallrisiko geht, erscheinen diese Anpassungen vertretbar.

  • KfW-Programm „ERP Kapital für Gründer“ anpassen:

Für Gründer gibt es mit dem „ERP Kapital für Gründung“ ein passendes Angebot, das jedoch eine viel breitere Nutzung erfahren sollte als es bislang mit lediglich rd. 400 Zusagen pro Jahr der Fall ist. Daher ist es positiv, dass im ERP-Wirtschaftsplan eine Aufstockung des Volumens von 94 Mio. Euro auf 150 Mio. Euro angedacht ist. Das ist jedoch bei Weitem nicht ausreichend. Hier wären Anpassungen bei den Zugangskriterien erforderlich, wie z. B. Nutzung auch für Kapitalgesellschaften, kein Ausschluss der Betriebsmittelfinanzierung. Auch über eine Erhöhung der Quote der über das Programm finanzierbaren Kosten (derzeit 40%), könnte nachgedacht werden.

  • Instrument der MBG Berlin-Brandenburg erweitern:

In diesem Zusammenhang sollte auch die Eigenkapitalparität der MBG überdacht werden. Denn die MBG kann nur entsprechender Parität den Unternehmen mit zusätzlichem Eigenkapital zur Seite stehen. Daher wäre es für Unternehmen mit Corona bedingten Verlusten eine zusätzliche Unterstützung, wenn die MBG auch bei keiner Eigenkapitalparität mit entsprechenden Beteiligungen unterstützen könnte.

Mit Blick auf die stillen Beteiligungen, mit denen die MBG Unternehmen in geeigneter Weise unterstützen können, sollte die derzeit in Verhandlung befindliche Rückgarantieerklärung zeitnah umgesetzt werden (u.a. Höhe der Rückgarantie, Delegation der Entscheidungsbefugnis auf 1-2,5 Mio. Euro auf Landesrückgarantien, Kombination mit KfW-Schnellkrediten).

IV. Zukunftsfähige Restrukturierungen auch für kleine Unternehmen ermöglichen:

  • Die Restrukturierungsrichtlinie sollte spätestens bis 31.12.2020 in nationales Recht umgesetzt werden, um Unternehmen zusätzlich einen rechtssicheren Weg der Sanierung auch vor einem Insolvenzverfahren zu eröffnen. Hier ist eine schnelle Verabschiedung der Richtlinie im Gesetzgebungsverfahren von Nöten.

  • Bei überschaubarer Gläubigerzahl könnte durch den Einsatz von Sanierungsmediation eine Insolvenz vermieden und die Fortführung von Betrieben ermöglicht werden. Nachdem mit einer erhöhten Insolvenzzahl durch die Corona-Pandemie zu rechnen ist, könnte Gläubigern und Unternehmern dadurch geholfen und Gerichte entlastet werden. Die Kammern können mit ihrem Wissen aus dem KfW-Förderprogramm „Unternehmen in Schwierigkeiten“ den Mediationsprozess für den Gläubiger wie für den Schuldner unterstützen.

V. Steuerfreier Anteilsverkauf

  • Zur Gewinnung von privatem Kapital, speziell für Unternehmen in Schwierigkeiten, sollte bei einem späteren Anteilsverkauf dieser für einen Kapitalanteil von bis zu 20% steuerfrei sein. Damit würde das Risiko des privaten Kapitalgebers, ein in Schwierigkeiten befindliches Unternehmen zu finanzieren, fördertechnisch gewürdigt werden.

Sprechen Sie hierzu gerne an:

Daniel Illerhaus Profil bild
Pressesprecher Verband

Daniel Illerhaus

Abteilungsleiter Kommunikation, Marketing, Politik

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