Politische Positionen

Landtagswahl Schleswig-Holstein 2022: Spitzenkandidat*innen zu genossenschaftlichen Themen

  • 14.04.2022
  • Politische Positionen
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Die Bürger*innen in Schleswig-Holstein wählen am 08. Mai 2022 einen neuen Landtag. Der Genossenschaftsverband - Verband der Regionen e.V. hat die drei Kandidat*innen für das Amt der Ministerpräsidentin, des Ministerpräsidenten zu genossenschaftlichen Themen interviewt. Nachfolgend unsere vier Fragen und die Statements von Daniel Günther (CDU), Monika Heinold (Bündnis 90/Die Grünen) und Thomas Losse-Müller (SPD).



VIDEOSTATEMENT

1) Genossenschaften werden im Wahlprogramm von CDU, Bündnis90/Die Grünen und SPD unter dem Aspekt Wohnen genannt. In welchen Bereichen würden Sie sich weiteres genossenschaftliches Engagement wünschen und wie würden Sie als Ministerpräsident*in dieses Engagement unterstützen?


Wir erleben seit einigen Jahren die konstante Zunahme von Gründungszahlen bei Genossenschaften. Welche Potenziale sehen Sie für die kooperative Rechtsform in Schleswig-Holstein?

Daniel Günther (CDU)

Genossenschaften sind auch in Schleswig-Holstein vor allem dort stark, wo Projekte für einzelne zu groß sind und es auf gemeinsame Kooperation und Partizipation ankommt. Hier gibt es auf dem Wohnungsmarkt noch große Potenziale aber vor allem bei der Energiewende. Beteiligung und Teilhabe können einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanz vor Ort leisten. Das gilt für Bürgerwindparks genauso wie für Biogasanlagen oder Solaranlagen an denen sich die Bürgerinnen und Bürger vor Ort beteiligen können.

Monika Heinold (Bündnis90/Die Grünen)
Genossenschaften engagieren sich für das Gemeinwohl und sie binden auf hervorragende Weise Bürger*innen in Prozesse und Entscheidungen ein. Das macht sie für Schleswig-Holstein und bundesweit zu einem Zukunftsmodell. Deshalb sehe ich für diese kooperative Rechtsform im Norden sehr viel Potenzial. Und das vor allem bei den Erneuerbaren Energien und beim Wohnen. Wir wollen die Genossenschaften deshalb künftig noch stärker unterstützen. Indem wir bürokratische Hemmnisse abbauen, indem wir bei der Gründung und Durchführung von Modellprojekten unterstützen und indem wir Beratungsangebote stärken.

Thomas Losse-Müller (SPD)
Zusammenhalt ist die Grundlage für Fortschritt. In ganz vielen Bereichen sorgen in Schleswig-Holstein Genossenschaften für diesen Zusammenhalt. Beispiele gibt es beim
Carsharing, Wohnen, nachhaltiger Lebensmittelproduktion, dem Bankwesen oder beim regionalen Einkaufen. Eine der zentralen gesellschaftlichen Aufgaben ist die Bekämpfung des Klimawandels. Gerade bei der dezentralen Organisation der Energiewende sehe ich große Potentiale für Genossenschaften. Das gilt bei der Erzeugung von Strom aus Wind und Sonne. Es geht aber auch um die Versorgung mit neuen Wärmenetzen oder mit Ladesäulen für Elektroautos. In diesen Bereichen können Genossenschaften eine wichtige Rolle spielen, weil es sich um gemeinsame Infrastrukturen handelt. Die kann eine Einzelperson nicht effizient betreiben. Gemeinsame Lösungen bringen aber große Vorteile und lassen sich gut in Genossenschaften organisieren.

Zur größten genossenschaftlichen Gruppe in Schleswig-Holstein zählen die landwirtschaftlichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften u.a. Meiereien, genossenschaftliche Rinderzuchtbetriebe, Vermarktungsgemeinschaften, Küstenfischereien. Wie wollen Sie sicherstellen, dass diese auch künftig zur Ernährungssicherheit in Schleswig-Holstein und Deutschland beitragen?

Daniel Günther (CDU)

Die Versorgungssicherheit ist für uns ein zentrales Thema, bei dem wir zu allen Beteiligten einen engen Draht pflegen und gerade jetzt im permanenten Austausch stehen. Bei der Produktion von Lebensmitteln müssen wir unsere Verantwortung als Gunststandort auch für die Ernährungssicherheit in anderen Teilen der Welt wahrnehmen. Dafür muss gerade die Europäische Union jetzt schnell mehr Flexibilität ermöglichen, damit wir die Produktionsmöglichkeiten im Land über alle Teile der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette voll ausschöpfen können. Die Genossenschaften haben hier einen sehr wichtigen Anteil. Und auch für die Versorgung bei uns im Land können wir beobachten, dass die genossenschaftliche regionale Vermarktung hochwertiger Lebensmittel immer weiter zunimmt. Auch das ist ein Trend, den wir unterstützen wollen.

Monika Heinold (Bündnis90/Die Grünen)
Eine vielfältige, artenreiche und gesunde Landwirtschaft ist die beste Garantie für unsere Ernährungssicherheit. Dazu tragen die genossenschaftlichen Betriebe und Gemeinschaften jeden Tag sehr viel bei. Wir wollen den Anteil der Öko-Landwirtschaft in Schleswig-Holstein auf mindestens 30 Prozent ausbauen. Den Prozess der Umstrukturierung wollen wir auf vielfältige Weise begleiten und unterstützen. Unser Ziel ist es, Fördermittel des Landes vorrangig ökologisch orientiert auszuzahlen. Faire Preise für die Erzeuger*innen sind die Voraussetzung für den Erfolg dieser Umstrukturierung. Dafür werden wir uns einsetzen und zudem regionale Absatzwege stärken. Darüber hinaus möchten wir Transformationsprozesse hin zu verschiedenen Formen der landwirtschaftlichen Gemeinwohlökonomie stärken. Hierzu zählen natürlich die Genossenschaften. Für diesen Wandel in der Landwirtschaft braucht es auf Landesebene bedarfsgerechte Förder- und Beratungsprogramme.

Thomas Losse-Müller (SPD)
Genossenschaften sind gerade in der Landwirtschaft ein Zukunftsmodell. Immer größere Mengen für den harten Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt zu produzieren ist der falsche Weg. Eines der zentralen Probleme ist das Gegenüber vieler kleiner landwirtschaftlicher Betriebe auf der einen Seite und weniger großer Supermarktketten auf der anderen Seite. Der Zusammenschluss in Genossenschaften führt dazu, dass sich Erzeugerinnen und Erzeuger besser in den Verhandlungen behaupten können. Wir wollen die Weichen in Richtung einer nachhaltigen, zukunftssicheren und bäuerlichen Landwirtschaft stellen. Dazu gehören regionale Wertschöpfungsketten, Direktvertrieb und die Veredelung von Lebensmitteln. Das ist eine konkrete Aufgabe für die Genossenschaften und ihre Kompetenzen. Auf diesem Weg muss das Land bei den notwendigen Investitionen unterstützen.

Unsere Erfahrung zeigt: Wo die Menschen sich z.B. genossenschaftlich einbringen und auch finanziell profitieren können, steigt die Akzeptanz etwa für Windkraftausbau. Was würde eine Landesregierung unter Ihrer Führung unternehmen, um die gesellschaftliche Akzeptanz an Erneuerbare-Energieprojekten, wie der Windenergie, weiter zu steigern?

Daniel Günther (CDU)

Wichtig ist, dass wir ein verständliches und rechtssicheres Regelwerk haben und die Menschen im Land auch ganz konkret von der Energiewende profitieren. Mit unserer Windplanung haben wir eine Planung aufgestellt, die rechtssicher ist, die Belange vor Ort aufnimmt, dabei auch größere Abstände zur Wohnbebauung zulässt und unsere Flächenziele erfüllt. Hier wollen wir noch mehr tun und an bestehenden Orten, an denen es eine hohe Akzeptanz gibt, Repowering ermöglichen. Teilhabe führt zu mehr Akzeptanz. Das gilt bei konkreten Projekten wie zum Beispiel Bürgerwindparks. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass wir die Akzeptanz noch weiter steigern können, indem wir insgesamt mehr sauberen Strom direkt im Land für neue Wertschöpfung und zukunftsfähige Arbeitsplätze. Mit den ersten großen Ansiedlungsprojekten haben wir gezeigt, dass wir hier auf dem richten Weg sind.

Monika Heinold (Bündnis90/Die Grünen)
Eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft wird den Ausbau der Erneuerbaren Energien, wie wir ihn für den Klimaschutz und die Sicherheit der Energieversorgung benötigen, deutlich unterstützen. Klima- und Energiepolitik ist auch Sozialpolitik. Wir wollen erreichen, dass möglichst viele Schleswig-Holsteiner*innen von der Energiewende profitieren. Die Beteiligung von Bürger*innen ist dafür wichtig. Die Menschen wollen frühzeitig wissen, was sich in ihrer Gegend tut. Das haben wir mit der vorgezogenen Bürger*innenbeteiligung beim Netzausbau umgesetzt und dabei bundesweit Maßstäbe gesetzt. Wir wollen auch Bürger*innenwind- und Solarparks unterstützen. Dafür haben wir einen Bürgerenergiefonds eingerichtet, den wir nun ausweiten und stärken wollen. Wir wollen mehr Modellprojekte auf kommunaler Ebene ermöglichen, etwa indem es Bürger*innengenossenschaften erleichtert wird, in die Strom- und Wärmeversorgung inklusive der Energiespeicherung einzusteigen.

Thomas Losse-Müller (SPD)
Wir wollen genau solche Modelle fördern. Einen Ausverkauf der mittelständischen Bürgerwind- und Bürgersolarparks an überregionale Energiekonzerne lehnen wir ab. Das
würde die Akzeptanz massiv gefährden. Wir wollen Arbeitsplätze, Investitionen, Know-how und Steuereinnahmen im Land halten und ausbauen. Die rechtlichen Rahmenbedungen
werden wir so setzen, dass wir die Energiewende weiterhin im Wesentlichen dezentral organisieren. Dazu leisten Energiegenossenschaften einen wichtigen Beitrag. Gleichzeitig sind sie eine gute und nachhaltige Möglichkeit zur Vermögensbildung angesichts von Niedrigzinsen und steigender Inflation. Auch bei Photovoltaik-Anlagen gibt es Chancen für Genossenschaften. Davon können insbesondere Mieterinnen und Mieter profitieren, die kein Haus haben, um Module auf das eigene Dach zu bauen.

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