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Zum MitgliederportalFoto: Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte
Quo vadis, Europa? Das ist eine der Fragen, die Politiker ebenso beschäftigt wie die Wählerinnen und Wähler in Europa. In knapp einem Monat werden die Abgeordneten des Europäischen Parlaments zum neunten Mal in der Geschichte der EU gewählt. Wohin entwickelt sich dieses gemeinsame Europa? Wohin treiben all die Diskussionen und Austrittsofferten das gemeinsame Haus Europa? Einige Ideen dazu von Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte, angesehener Politikwissenschaftler und Direktor der NRW School of Governance in Duisburg.
400 Millionen Europäer in 27 Staaten der Europäischen Union sind wahlberechtigt. Nach bisherigen Schätzungen ist mehr als die Hälfte davon fest entschlossen, ihr Wahlrecht zu nutzen. Europa scheint kurz vor der Europawahl vor einer wichtigen Wegmarke zu stehen: Einerseits stehen Brexit, Nationalismus und die Erosion von Rechtstaatlichkeit geradezu symbolisch für Vertrauensverlust und Fliehkräfte des Staatenbundes. Andererseits zeigen unter anderem die Reformvorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dass die vielbeschworene Einheit in Vielfalt durchaus eine politische Zukunft hat. GENiAL sprach mit Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte, Direktor der NRW School of Governance und Gast auf dem diesjährigen Verbandstag, über die Zukunft Europas.
Ist die EU-Wahl Chance oder Zerreißprobe?
Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte: Eine unmittelbare Zerreißprobe droht durch die bevorstehende Wahl nicht. Was aber deutlich wird, ist, dass geschicktes Politikmanagement zunehmend an Bedeutung gewinnt. So wird aller Voraussicht nach die bisher informell von EVP und S&D gebildete Große Koalition im Europaparlament künftig nicht mehr ausreichen. Kleinere Fraktionen wie zum Beispiel die ALDE könnten zum Königsmacher werden.
Wie wichtig ist den Deutschen Europa überhaupt?
Der Ruf der EU ist in Deutschland weitaus besser, als es manche Debatte vermuten lässt. Zuletzt gaben 81 Prozent an, dass die EU-Mitgliedschaft Deutschlands eine gute Sache sei. 72 Prozent waren zudem der Auffassung, dass ihre Stimme in diesem Zusammenhang von Bedeutung sei. Auch wenn die Europawahl traditionell als sogenannte Nebenwahl gilt, so stehen die Chancen gut, dass sich der Trend der steigenden Wahlbeteiligung auch hier fortsetzt. Für die Bundespolitik wird das Ergebnis der Union und SPD zugleich eine Zwischenbilanz der Großen Koalition sein.
Welche Umbrüche und Themen prägen die politische Kultur aktuell in Europa?
Abgesehen vom Brexit, sind es vor allem Themen des digitalen Zeitalters, die die Debatte derzeit prägen: Wie sollen die großen Digital-Konzerne angemessen besteuert werden? Wie können Urheber- und Nutzungsrechte im Internet in Einklang gebracht werden? Wie verhält es sich mit einem angemessenen Datenschutz? Darüber hinaus sind es Fragen nach einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die die EU-Mitglieder bewegen. Hier suchen insbesondere Deutschland und Frankreich nach einer gemeinsamen Lösung.
Was bedeuten ständige Wechselbäder und Nationalisierungstendenzen?
Da sich die aktuelle Situation in Großbritannien deutlich negativer darstellt, als von vielen der Brexiteers im Vorfeld angenommen, hat der Austritt derzeit abschreckenden Charakter. Rufe nach einem Frexit (dem Austritt Frankreichs) oder gar einem Dexit (dem Austritt Deutschlands) sind momentan kaum zu hören. Nichtsdestotrotz sehen wir eine Vielzahl an Parteien, die in ihrem Europawahlprogramm mit starken Nationalstaaten werben. Nationalisierungstendenzen lassen sich dabei nicht per se seitens der EU eindämmen, sondern es bedarf ebenso der Regierungen in den Mitgliedsstaaten, die erkennen, dass eine funktionierende Europäische Union weitaus mehr Vorteile erzielen kann als ein einzelner Staat.
Wie auch immer diese Wahl ausgeht: Es werden die beiden großen Blöcke der Konservativen und der Sozialdemokraten schlechter abschneiden als vor fünf Jahren. Warum?
In den meisten nationalen Wahlen der Mitgliedsstaaten verlieren sowohl die konservativen als auch die sozialdemokratischen Parteien. Da überrascht es wenig, dass sich dieser Trend auch auf gesamteuropäischer Ebene fortsetzt. Der EVP-Fraktion drohen vor allem große Verluste in Frankreich und Deutschland. Sollte zudem nach der Wahl die ungarische Fidesz-Partei der Fraktion nicht mehr angehören, könnte diese sich noch einmal empfindlich verkleinern. Die Sozialdemokraten werden voraussichtlich auch insbesondere in Frankreich, Deutschland und Italien Verluste hinnehmen müssen.
Welche Gefahr geht von rechtspopulistischen Parteien wie der ungarischen Fidesz-Partei, der französischen Rassemblement National oder der Alternative für Deutschland aus?
Abgesehen von der AfD, sprechen sich alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien derzeit klar für Europa und die EU aus. Zumindest bei dieser Frage vermitteln die Politikerinnen und Politiker daher aktuell ein sicheres Bild. Die Gefahr, die von rechtspopulistischen Parteien ausgeht, steigt mit zunehmender Koordinationsfähigkeit. Sollten sie sich im Anschluss an die Europawahl nicht auf gemeinsame Fraktionen einigen können, bleibt ihre Durchsetzungskraft gering. Andernfalls droht von ihnen eine innere Zersetzung des Parlaments auszugehen.
Was können Parteien von konservativ bis links entgegensetzen?
Die Frage müsste hier bereits lauten: Was wollen Parteien entgegensetzen? Denn neben den oppositionellen Euroskeptikern wie der AfD in Deutschland oder dem RN in Frankreich sind beispielsweise in Ungarn oder Polen schon heute EU-kritische Parteien an der Regierung beteiligt. Wer die gefühlte Distanz zwischen Brüssel und der Wählerschaft verringern will, tut gut daran, echte Demokratie-Erlebnisse zu schaffen: So simpel es klingt, ein persönliches Zusammentreffen mit einem Abgeordneten ändert nachweislich die Bewertung politischer Prozesse.
Was würden Sie vor allem den Genossenschaften raten, wenn die EU geschwächt wird?
Genossenschaften sind ein Paradebeispiel als Gegenentwurf zu Unsicherheit und nationalstaatlichem Egoismus. Das praktizierte System von Wirtschaftsdemokratie, Gemeinschaft vor Ort und Subsidiarität hat sich inzwischen über Jahrhunderte hinweg bewährt. Versuchen Sie, Ihren gelebten Grundwerten auch künftig treu zu bleiben, und halten Sie gleichzeitig Ausschau danach, wo und wie sich Ihre Organisation den Anforderungen der jüngeren Generation anpassen kann.
Yvonne Reißig