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Bundesland-Spezial Berlin-Brandenburg | Veröffentlicht am 24.04.2019

Den Wolf im Visier

Fotos: Fiener Agrargenossenschaft Ziesar eG, pexels

Fotos: Fiener Agrargenossenschaft Ziesar eG, pexels

Der mit dem Wolf tanzt
Der Fiener Agrargenossenschaft Ziesar gehören 1.800 Rinder in Brandenburg. Doch sie kämpft mit massiven Problemen wegen des Wolfes.

Ziesar ist ein Naturparadies. Umgeben von Seen, der Havel und Vogelschutzgebieten. Nur wenige Kilometer entfernt geben die Seen und Wälder Fischottern und Rehen Nahrung und Schutz. Ziesar ist auch das Tor zur Mark Brandenburg. Grenzt im Südosten an den Fläming und im Westen an Sachsen-Anhalt. Die Weiden ringsum beheimaten bekannte und unbekannte Tiere, ebenso wie Hunderte Mutterkühe und ihre Kälber der Fiener Agrargenossenschaft Ziesar. Insgesamt zählt die Genossenschaft 1.800 Rinder: Bullen, Milchkühe, Mutterkühe und Kälber. Schafe gibt es in dieser Region aber schon seit einiger Zeit nicht mehr.

Die großen Rinder stehen meist bei Wind und Wetter auf den Weiden vom Fiener Bruch bis zum Buckautal. Das macht 2.700 Hektar Land für elf Mutterkuhherden. Viel Wiese, viel Acker, viel angrenzender Wald. Ausgedehnte und ständig wechselnde Weideplätze für die Tiere. Ganzjährig sehen die 430 Mutterkühe die Stallungen möglichst selten von innen. Auch die Kälber werden Anfang April auf den Weiden geboren.
Eigentlich ideal für eine möglichst ökologische Zucht. Eigentlich. Tatsächlich ist das offene und weitläufige Weideland in der Nähe des Waldes leider ebenso ideal für den Wolf. Vor allem ab April, wenn die Kleinen „schlüpfen“, findet das Raubtier hier einen wahrhaft reich gedeckten Tisch. „Wir können diese riesigen Flächen nicht so schützen, wie sich das die brandenburgische Landesregierung und die Politiker vorstellen“, macht Elard von Gottberg, Vorstandsvorsitzender der Agrargenossenschaft, seinem angestauten Ärger Luft. Ein Dutzend Kälber hat sich der Wolf erst im Frühjahr 2018 geholt, zwei waren es das Jahr zuvor.

Grausige Bilder

Es sind grausige Schlachtfelder, die der Wolf zurücklässt, scheußliche Bilder, die sich in den Köpfen der Betrachter festsetzen: Kälber mit aufgerissenen Kehlen. Kälber mit aufgeschlitzten Bäuchen, aus denen der Wolf nur die für ihn schmackhaften Innereien gefressen hat. Kälber, von denen nichts als ein Stück Schulter übrig blieb. Oder Mutterkühe, die trauernd neben ihrem Jungen stehen, von dem nur noch der Kopf und der aufgerissene Torso zu sehen sind. Meist wütet der Wolf in einer Nacht so, dass er eben nicht nur ein Tier tötet, um seinen tatsächlichen Hunger zu stillen. „Nein, der Wolf ist kein Jäger, sondern ein Räuber. Er gerät in einen Blutrausch, der nicht zu kontrollieren ist“, sagt Elard von Gottberg weiter.

Über die politische Forderung an die Bauern, ihre Herden mit speziellen Schutzzäunen zu sichern, kann der 45-Jährige nur die Stirn runzeln. „Da helfen keine knapp zwei Meter hohen Elektro-Schutzzäune. Alle Zäune, die zum Schutz vor dem hungrigen Wolf errichtet wurden, hat dieser überwunden.“ Ein Landwirt in der Nähe habe sich an dem Modellprojekt des Landes beteiligt. Er habe im Vergleich zu der großen Genossenschaft nur zwei kleine Mutterkuhherden. Doch auch dort hat der Wolf inzwischen fünf Kälber geholt. Die Zäune waren überhaupt kein Hindernis. Der Wolf hat bereits gelernt, dass die Stromschläge zwar zwirbeln, ihn aber nicht verletzen. Und leisten könne man sich die Zäune schon gar nicht. Sie kosten Zehntausende Euro. Das stehe in keiner Relation. „Und wenn alle große Zäune um ihre Koppeln ziehen, sieht die Landschaft hier aus wie vor 30 Jahren an der Grenze. Wer will das?“, fragt sich von Gottberg.

Auch jetzt erwartet der gebürtige Niedersachse und studierte Landwirt wieder Wolfsrisse in seinen Herden. „Die Mutterkühe kalben ab April. Ihre Kälber sind eine leichte Beute.“ Im Frühjahr 2018 haben seine Mitarbeiter sogar freiwillige Nachtwachen geschoben. Sobald ein Wolf gesichtet wurde, hatten seine Männer geklatscht und gerufen, um das Tier zu vertreiben. Leider schrecke auch das den Wolf inzwischen nur noch bedingt bis gar nicht ab. „Der Wolf hat sich an uns Menschen gewöhnt und begriffen, dass wir keine Gefahr für ihn sind.“

So kommen sich Wölfe und Menschen immer näher. Und zugegeben, sie teilen kulinarische Vorlieben. Zwar fressen Wölfe am liebsten Rehe und Rothirsche. Aber auch Schafe, Ziegen oder Kälbchen verschmähen sie keineswegs. 247 Nutztiere waren es 2016, 394 ein Jahr darauf, 401 im vergangenen Jahr. In all diesen Fällen war „der Wolf als Täter nicht auszuschließen“, wie es im besten Amtsdeutsch heißt. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Landwirte Geld vom Staat bekommen. Klingt gut. Denn das Land Brandenburg zahlt für Nutztiere, die dem Wolf zum Opfer gefallen sind, 100 Prozent. Auch wolfsgerechte Zäune und Herdenschutzhunde bezuschusst das Land. Perfekt, oder? Eher nicht! Das wird klar, als Elard von Gottberg die Summen nennt: Pro Kalb haben die Fiener 450 Euro bekommen, also den möglichen Verkaufserlös. Für die Fiener waren das insgesamt 6.300 Euro. Der Erlös hätte jedoch weitaus höher ausfallen können, wenn die Kälbchen zu stattlichen Bullen oder Milchkühen herangewachsen wären und man sie dann hätte verkaufen können. Jedes Tier hätte bis zu 1.100 Euro bringen können. Also ein heftiger Verlust.

Auch die anteiligen Kosten für wolfsgerechte Zäune und Herdenschutzhunde sind schnell relativiert: Landwirtschaftliche Betriebe bekommen innerhalb von drei Jahren maximal 15.000 Euro insgesamt – für Wolfsschutz, Futter- oder Dürrehilfen. Und Herdenschutzhunde tun sich oft schwer mit Mutterkuhherden. Sie wachen aber gut über Schafe und Ziegen.

Noch ein weiterer Grund lässt den Ausgleich in unerreichte Ferne rücken: Theoretisch wird immer gezahlt. Genau: Nur theoretisch. Erst muss der sogenannte Rissgutachter den tödlichen Wolfsbiss bestätigen. Rissgutachter sind oft Tierärzte oder Jäger, die die Opfer untersuchen. Passt der Zahnabdruck zum Wolf? Ist das Tier am typischen Kehlbiss des Raubtieres gestorben? Manchmal sind die Spuren eindeutig, manchmal wird eine DNS-Analyse nötig. Überwiegen die Zweifel, gehen die Landwirte leer aus. Wenn unklar bleibt, ob ein Kälbchen bereits tot geboren wurde oder doch Wölfe das minutenkurze Leben ausgelöscht haben. Oder wenn einfach nicht mehr genug übrig ist, um ein Urteil über den Täter zu fällen und sich inzwischen auch Raben oder Füchse bedient haben.

Für Landwirte wie Elard von Gottberg steht fest: „Der Wolf muss wieder weg aus unserer Weidewirtschaft.“ Auf den alten Truppenübungsplätzen im Fläming oder auch in den ausgedehnten Wäldern könne das Raubtier gut und gerne leben, nicht aber in der Nähe von Weiden. Um Schafe, Ziegen oder Kälbchen zu schützen, müsste man in der Nachbarschaft der Nutztiere endlich die Schutzjagd des Wolfes erlauben. Noch ist der Wolf jedoch streng geschützt. Ein Grund für die explosionsartige Ausbreitung des Tieres. Die schnell wachsende Population des Raubtieres bereitet Elard von Gottberg zunehmend Sorge. Er stellt Vergleiche mit anderen Ländern an: „Deutschland ist mit einer Einwohnerdichte von 233 Menschen pro Quadratmeter nicht der natürliche Lebensraum des Wolfes. In Frankreich und Schweden sind es 105 Menschen.“ Dort gebe es auch nur jeweils 300 bis 350 Wölfe, in Deutschland seien es bereits 1.000 und Ende 2019 wahrscheinlich nochmals 300 mehr, schätzt der Landwirt. „Bei einer Reproduktionsrate von 30 Prozent haben wir 2030 etwa 4.000 Wölfe, wie soll es weitergehen?“

Inzwischen fallen die Sorgen der hiesigen Bauern auf zunehmend fruchtbaren Boden. Die Wolfsländer Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen machten sich in den zurückliegenden Monaten mit einer Bundesratsinitiative für „lokal beziehungsweise regional bestandsregulierende Maßnahmen“, also verstärkte Abschüsse stark, um die Tierhalter zu unterstützen. Die Bundesregierung ist allerdings noch sehr zögerlich und in den Ressorts Umwelt und Landwirtschaft einigermaßen uneins: So wird im Landwirtschaftsressort über eine gemäßigte Bestandsregulierung und die „Entnahme von einzelnen Wölfen aus einem Rudel“ philosophiert. Im Umweltressort hingegen ist das Bundesnaturschutzgesetz ausschlaggebend. Das legt bislang fest, dass der Wolf als geschützte Art nicht geschossen werden darf. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, etwa wenn ein „Problemwolf“ ganze Herden reißt oder Menschen zu nahe kommt. Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen haben für insgesamt vier Wölfe diese Ausnahmeregelung genutzt.

Nachwuchs gesucht

Was jedoch in der gesamten politischen Debatte fehlt, ist ein Konzept zum langfristigen Umgang mit dem Wolf. Dabei ist eines für alle offensichtlich: Die Zahl der Wölfe wird sich weiter stark erhöhen, und der Wolf wird einen Lebensraum nach dem anderen für sich beanspruchen.

Bis zum Jahr 2000 war der Wolf für gut anderthalb Jahrhunderte aus Deutschland verschwunden. Bekannt meist nur noch aus Grimm´schen Märchen. Als Unhold, das Böse, die Bestie. Dieses Bild ist allerdings auch falsch. Tatsächlich können Menschen vom Sozialverhalten der Wölfe lernen. Diese sorgen gut für ihr Rudel. Die Schwachen werden mitversorgt, die älteren Geschwister passen auf die Welpen auf, die Eltern sind partnerschaftlich gleichberechtigt. Nur wenn Artgenossen aus fremden Rudeln durchs Revier streifen, kann das böse enden.

Im Januar 2019 lebten 38 Wolfsrudel in Brandenburg: 38 Familienverbände mit Elterntieren, Welpen und meist Nachkommen aus dem Vorjahr. Jungwölfe verlassen mit 10 bis 22 Monaten ihre Familie und suchen sich ein eigenes Revier. Dafür laufen sie ins Unbekannte und lernen unterwegs, mit der Umwelt zu leben. Im dicht besiedelten Deutschland kommen sie durch Dörfer, laufen nachts durch einen Waldkinderkarten, stehen am Feldrand und beobachten Menschen und Tiere.

Der Wolf ist jedoch nur ein Thema im Landwirt-Alltag von Elard von Gottberg. Problematisch sei auch, Nachwuchs für den Melker-Beruf zu finden. Die Arbeitszeit richtet sich nach den Tieren. Kühe kennen kein Wochenende. Und dreckig macht man sich auch.“ In zwei Schichten wird in den Ställen und auf den Weiden gearbeitet: von 4 bis 11 und von 15 bis 22 Uhr. Um das Nachwuchsproblem zu entschärfen, haben die Ziesaer auf eine moderne Melkanlage umgerüstet. „Eine Investition, die sich auszahlt für die Belegschaft und die Genossenschaft“. Außerdem gehen die eigenen Lehrlinge in die Schulen, zu Ausbildungsmessen als Botschafter und die Ziesaer haben ein Herz für Praktikanten. Momentan sind die Azubis zu dritt, ab Herbst zu fünft.

Alle denken unternehmerisch

Noch eine Besonderheit hat die Genossenschaft, hervorgegangen aus einer LPG, also einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft: Viele der 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch die Ausgeschiedenen sind Genossenschaftsmitglied und damit Eigentümer. Insgesamt 43 Frauen und Männer. Und alle wohnen hier. „Bei uns haben alle einen Bezug zur Genossenschaft. So ist es Mitgliedern möglich, die sonst keinen unternehmerischen Hintergrund haben, unternehmerisch zu wirken. Das wiederum bindet jeden Einzelnen stark ein und an die Genossenschaft“, so von Gottberg.

Der gebürtige Niedersachse Elard von Gottberg hat die Agrargenossenschaft 2017 als Vorstandsvorsitzender übernommen. Die Agrargenossenschaft arbeitet konventionell, also mit chemischen Mitteln zur Düngung und Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen. 30 Landwirte kümmern sich um die 1.800 Milchkühe und Mastrinder. Auf gut 2.100 Hektar Acker wachsen Mais, Gerste, Raps, Weizen und Futterroggen. Vor allem für die eigenen Tiere – der Rest geht in den Futterhandel. Elard von Gottbergs Agrargenossenschaft hat schon überlegt, auf einen zum Teil ökologischen Betrieb umzusatteln. Doch das kostet Zeit und Geld. Am Morgen des 2. April wurde bereits das zweite Kalb der Genossenschaft in diesem Jahr gerissen.


Yvonne Reißig


Kleine Geschichte des Wolfs

Mehr als 150 Jahre lang gab es keine Wölfe in Deutschland. Doch seit Beginn des neuen Jahrtausends wird „Canis lupus“ hierzulande wieder heimisch.

1990 wurde der Wolf in Deutschland und international unter Schutz gestellt: Er durfte somit nicht gejagt, seine Bauten und Rückzugsorte durften nicht betreten werden. Eine Entscheidung, die schnell Wirkung zeigte: Ende der 1990er Jahre wurden in Sachsen die ersten wieder frei lebenden Wölfe beobachtet.

Rein statistisch bietet Deutschland 440 Wolfsrudeln ausreichend Lebensraum. Ein Rudel besteht aus drei bis elf Tieren. Sie werden bis zu 13 Jahre alt, sind sehr lern- und anpassungsfähig.

Der Canis lupus ist streng geschützt. Das ist in europäischen Richtlinien und dem Bundesnaturschutzgesetz geregelt. Ein Wolf darf in Deutschland nur getötet werden, wenn er wiederholt Nutztiere reißt, obwohl der Bauer seine Herde gut geschützt hat. Eine Bestandsreduktion durch Quotenfreigabe und/oder die Schaffung sogenannter wolfsfreier Zonen ist nach geltendem Recht nicht möglich. Die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie regelt auch den „guten Erhaltungszustand“ einer geschützten Art wie Wolf, Biber oder Luchs und wann diese erreicht ist.

In Deutschland sind insgesamt 42 Wölfe illegal getötet worden. Von 1990 bis Ende März 2019 wurden in Deutschland 329 Wölfe tot aufgefunden; 242 davon waren Verkehrsopfer, 42 waren illegal getötet worden. (DBBW-Datenbank)

Insgesamt gab es 2017 in Deutschland 1.667 Wolfsrisse aus 472 Übergriffen. Opfer waren zu 85,9 Prozent Schafe und Ziegen, zu 9 Prozent Gehegewild und zu 4,8 Prozent Rinder (meist Kälber). Die Zahl der Übergriffe stieg binnen eines Jahres um knapp 66 Prozent. Die Zahl der dabei getöteten, verletzten oder vermissten Tiere war um fast 55 Prozent höher als 2016. Die meisten Nutztierschäden gab es in Niedersachsen.

Für Herdenschutzmaßnahmen wurden von Bund und Ländern mehr als 1,3 Millionen Euro gezahlt, für Erstattungen nach Tierschäden rund 188.000 Euro. 86.000 Euro in Brandenburg für Entschädigungen und fast 278.000 Euro für Prävention.

Der Deutsche Tierschutzbund kritisiert die Pläne der Großen Koalition in Berlin als Panikmache: „Seit der Rückkehr der Wölfe ist es in keinem Fall zu einer ernsthaften Gefährdung von Menschen gekommen.“ Die Wiederansiedlung von Wölfen in Deutschland sei ein Erfolg. Wölfe erfüllten wichtige Aufgaben.


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