GENiAL 6-2018

20 | GENiAL | 6-2018 IM FOKUS: MUTIGE GENOSSENSCHAFTEN A us dem Fernseher im oberen Eck des Zimmers spricht Mo- derator Ranga Yogeshwar über die Antibabypille. Mark, ein Junge mit dunklen, freundlichen Augen sitzt auf dem Boden. Die Beine hat er läs- sig herangezogen. Der 14-Jährige aus der 10. Klasse hört dem Moderator zu. „Ähm, nein, ich bin nicht mehr zum Aufschreiben gekommen“, sagt er verlegen zu seinem Lehrer, der nach einem Statement zu dem Gehörten fragt, kann aber auswendig fast alles aufsagen. Mark, hochbegabt, hat gerade Bio-Unterricht und sitzt mit neun anderen Mädchen und Jungen in einer Klasse. Sie sind zehn Schülerinnen und Schüler von insgesamt nicht mehr als 120. Mehr nimmt die Friedrich Wilhelm Raiffeisen-Schule in Wetzlar nicht auf. Sie ist eine kleine Schule. Hier kennt man sich untereinander. Nein, die Schule ist keine Eliteschule, sondern eine ganz normale integrative Gesamtschule mit Grund- und Sekundarstufe. Trotzdem: Etwas „anders“ ist die Wetzlarer Schule am Ende der Herbert-Flender-Straße auf dem Spilburg- Gelände allerdings schon. Sie funktioniert wie ein Unternehmen. Sie hat einen Vorstand und einen Aufsichts- rat; sie ist eine Genossenschaft. Deshalb sind – anders als an anderen Schulen – alle Kolleginnen und Kollegen mit an der 2007 eröffneten Gesamtschule beteiligt. Sie haben Anteile erworben. „Eben ganz so wie es sich für eine richtige Genossenschaft gehört“, er- klärt Schulleiter Georg Pflü- ger. Auch die Eltern, die ihr Kind hier an der Friedrich Wilhelm Raiffeisen-Schule anmelden wollen, treten der Genossenschaft bei und zahlen einmalig einen Betrag von 200 Euro, den sie zurückbekommen kön- nen, wenn ihr Kind die Schule beendet. „Viele belassen ihren Anteil aber bei uns“, sagt der Schulleiter. Zurzeit hat die Genos- senschaft rund 170 Mitglieder. Die Zahl der genossenschaftlich or- ganisierten Schulen ist in Deutschland verschwindend gering. Bundesweit gibt es wohl nicht mehr als ein Dutzend, da- von sind die meisten Waldorfschulen. Die Raiffeisen-Schule ist anders und hat ein be- sonderes pädagogisches Konzept. Pflüger umschreibt es kurz mit „an Werten orien- tiert“, „das Kind individuell fördernd“ und „die Eltern einbeziehend“. Im Internet wirbt die Schule mit dem Anspruch, „die gute alte Dorfschu- le von einst technisch und pädagogisch modern durchzustylen“. Und das heißt: den Unterricht an- ders zu gestalten als her- kömmliche Schulen. Das Tablet gehört in Wetzlar für alle Kinder ab der 5. Klasse so selbstver- ständlich zur Grundaus- stattung wie die Federmappe. „Mit dieser technischen Voraussetzung können die Kinder bei uns individuell gefördert wer- den“, so Pflüger. Er unterrichtet Deutsch. Er und seine etwas mehr als 20 Kolle- ginnen und Kollegen legen für die Fächer zum Teil individuell zugeschnittene Wo- chen- und Arbeitspläne an, aber auch über Jedes Kind individuell fördern – die FriedrichWilhelmRaiffeisen-Schule eG Im Verbandsgebiet des Genossenschaftsverbandes gibt es eine Handvoll genossenschaftlicher Schulen. Von Eltern mit viel Mut initiiert, haben sie besondere pädagogische Konzepte, wie zum Beispiel die Raiffeisen-Schule in Wetzlar. MUTIGE GENOSSEN- SCHAFT

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=