GENiAL 1-2018

1-2018 | GENiAL | 21 IM FOKUS | RAIFFEISEN-JAHR 2018 WeiberWirtschaft – eine 29-jährige Erfolgsstory Die Erfolgsgeschichte der WeiberWirtschaft startete vor rund 29 Jahren: Im Jahr des Mauerfalls wagten 17 Berliner Frauen das frauenpolitische Experiment und gründeten am 17. Dezember 1989 eine Genos- senschaft mit dem Ziel, großes Grundeigentum in Frauenhand zu schaffen. „Wir wollten unsere Mit- glieder demokratisch beteiligen, Mieten weitgehend konstant halten und sie nicht an Investoren zahlen“, sagt Katja von der Bey, die zusammen mit Dr. Andrea Schirmacher Geschäftsführerin und Vorstandsfrau der WeiberWirtschaft ist. 2013 wurde die promovierte Kunsthistorikerin und Fundraiserin für ihr frauenpo- litisches Engagement mit dem Berliner Frauenpreis ausgezeichnet und 2017 mit dem Verdienstorden des Landes Berlin. „Im Grunde haben wir damals eine der ersten Aktionen im Crowdfunding und in der Sharing Eco- nomy ins Leben gerufen“, erläutert von der Bey. Und sie erzählt: „ Wir haben bundesweit Frauen zur So- lidarität für unser Projekt aufgerufen und viel Geld sammeln können. So konnten wir damals für 18,6 Millionen Euro den Gewerbehof des ehemaligen VEB Berlin-Kosmetik in Berlin-Mitte kaufen.“ Heute bietet zu kaufen: „Bisher haben wir noch nicht das richtige gefunden und sind dankbar für jeden Hinweis.“ Mitglieder aus aller Welt 103 Euro kostet ein Anteil bei der WeiberWirtschaft, die von inzwischen 1.950 Mitgliedern getragen wird. Das Erstaunliche: Die Anteilseignerinnen kommen aus aller Welt, der Anteil der Berlinerinnen liegt deut- lich unter 50 Prozent. „Unsere Mitglieder sind sehr solidarisch und engagiert“, betont von der Bey. So unterhält die Genossenschaft auch einen eigenen Mitglieder-Think-Tank, in dem die Visionen und Stra- tegien von morgen für die Genossenschaft entwickelt werden. Doch nicht nur Vermietung ist das Geschäft der Genossenschaft. „Wir wollen darüber hinaus Wissen und Förderungsmöglichkeiten für Gründerinnen tei- len, vermehren und bündeln“, so die Geschäftsfüh- rerin. 500 Existenzgründungen von Frauen hat die WeiberWirtschaft seit ihrem Bestehen begleitet und ermöglicht. Seit 2006 gibt es das Anrecht auf einen Kita-Platz. Im selben Jahr ging auch die Tochterorga- nisation der Genossenschaft, die Gründerinnenzent- rale, als Erstanlaufstelle für Existenzgründerinnen an „Im Gegen- satz zu den Frauen haben Männer in Deutschland durchschnitt- lich über 46 Prozent mehr Vermögen und ein 23 Prozent höheres Einkommen.“ die Genossenschaft auf 7.100 Quadratmetern Nutz- fläche 70 Gewerbeeinheiten, darunter Praxen, Bü- ros, Ladenlokale, Ateliers und Werkstätten, sowie 13 Wohnungen zur Vermietung an. „Das ist unser Kern- geschäft und die solide wirtschaftliche Basis unserer Genossenschaft“, so die Geschäftsführerin. Das Gebäude ließen die Frauen nach modellhaf- ten ökologischen Kriterien sanieren, Blockheizkraft- werk, Fotovoltaik und Regenwasseraufbereitung inklusive. Darüber hinaus bietet die Genossenschaft in ihrem Gebäudekomplex Tagungsräume, zwei gas- tronomische Betriebe, eine eigene Kindertagesstätte mit 12-stündiger Öffnungszeit, Grünflächen sowie ei- nen Gerätepark an, in dem Materialien vom Beamer über den Hochdruckreiniger bis zur Bohrmaschine ausgeliehen werden können. Die Wohn- und Geschäftsräume werden nur an Genossenschaftsmitglieder vermietet. „Wir ha- ben lange Wartelisten“, informiert von der Bey, und könnten unseren ganzen Gebäudekomplex locker nochmal vermieten. Unsere Mitgliederfrauen haben immer das erste Anrecht.“ Deshalb überlegt die Wei- berWirtschaft, eine zweite große Immobilie in Berlin den Start. Dort finden Frauen Orientierungsberatung, Informationen und vielfältige Vernetzungsmöglichkei- ten rund um die Existenz- und Unternehmensgrün- dung. 2011 übernahm die WeiberWirtschaft zusätz- lich das Branchenbuch FrauenUnternehmen. Und seit 2013 bietet die Genossenschaft zusammen mit dem Verein Goldrausch e.V. gründungswilligen Frauen Mi- krokredite an. Und warum ist eine Gründungsberatung „nur für Frauen“ angesichts vieler Förderprogramme und Be- ratungsstellen von Bund, Ländern, Kommunen, In- dustrie- und Handelskammern überhaupt noch nötig? Frauen gründen anders „Frauen gründen anders als Männer“, betont von der Bey. Den größten Unterschied gebe es in der Wahl der Branchen: Während Männer sich mehr im MINT- Bereich, das heißt im technisch-naturwissenschaft- lichen Bereich, selbstständig machten, gründeten Frauen eher im kulturellen und sozialen Bereich. Des- halb hätten sie viel größere Probleme, Förderkredite zu bekommen. Auf demWeg zur Generalversammlung Prominenter Besuch (v.l.n.r.): Bundes- frauenministerin Dr. Katarina Barley und Dr. Eva Högl (MdB) bei der Glaserin Christiane Mergner von Berlin- Glas. Fotos: Anke Großklaß, Heidi Scherm, Oliver Mann

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