GENiAL 1-2018

18 | GENiAL | 1-2018 E s ist das Jahr 1846: Friedrich Wilhelm Raiff- eisen war war noch keine 30 Jahre alt und Bürgermeister der kleinen GemeindeWeyer- busch im Westerwald geworden. Die Lage vor Ort war nicht rosig: Zum zweiten Mal in Folge waren die Ernten imWesterwald verdorben, das Brot war knapp, die Preise stiegen sprunghaft. Die Regie- rung hatte zwar Korn für die Armen geschickt, befahl ihnen aber, es käuflich zu erwerben. Da vielen hierfür das Geld fehlte, entschied sich Raiffeisen, den Hun- gernden zu helfen. Hierzu hatte er eine gute Idee: Gegen Schuld- scheine verteilte er das Korn an die Armen und sam- melte gleichzeitig von den Wohlhabenden Geld ein. Dieses zahlt er in den Fonds eines eigens gegründe- ten, sogenannten Brodvereins ein. Daraus wiederum tilgte er die Schulden bei der Regierung und kaufte weiteres Getreide und Saatgut. Darüber hinaus bau- te er zusätzlich ein eigenes Backhaus zur Selbstver- sorgung der ländlichen Bevölkerung. Raiffeisens Plan ging auf: Im darauffolgenden Sommer brachten die Bauern reiche Ernte ein und konnten dem Verein das Geld für das Saatgut vom Vorjahr zurückzahlen. Raiffeisen – ein Mann mit Mission Seine Mission für die Armen setzte Raiffeisen als Bür- germeister in größeren Gemeinden fort. So gründete der Reformer später den Flammersfelder Hülfsverein Wie alles begann – Raiffeisen und der Brodverein Über den Brodverein verteilte Raiffeisen Getreide und Saatgut an arme Bauern. In diesem Jahr feiern die Genossen- schaften die 200. Wiederkehr des Geburtstags von Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Seine Idee der Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwal- tung ist Vorbild für Tausende Genossen- schaften weltweit. Wie hat er gelebt oder gearbeitet? War er eher Sozial- romantiker oder Realpolitiker? War er Visionär und Reformer oder „nur“ ein kleiner Bürgermeister aus dem Wester- wald, der Gutes tun wollte? Ein Blick auf sein Leben im 19. Jahrhundert. zur Unterstützung mittelloser Landwirte. Als Bürger- meister hob er anschließend nach den Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwal- tung den Heddesdorfer Wohltätigkeitsverein aus der Taufe, der später zum Darlehnskassenverein wurde und heute als erste Genossenschaft Raiffeisens gilt. Kaum pensioniert, veröffentlichte Raiffeisen Mit- te der 1860er Jahre das Ratgeberbuch „Die Dar- lehnskassen-Vereine als Mittel zur Abhilfe der Noth der ländlichen Bevölkerung sowie auch der städ- tischen Handwerker und Arbeiter“. In den 1870er Jahren engagierte er sich weiter – mit Vorträgen, Beratungen für potenzielle Genossenschaftspionie- re im ganzen Land und der Gründung einer zentra- len Landeskasse. Dabei entwickelte sich Raiffeisens Ursprungsidee der „unbegrenzten Solidarhaftung“ weiter. Standen in den früheren Vereinen die Reichen unbegrenzt für die Armen ein, so kauften in den spä- teren Vereinigungen alle Beteiligten gleichermaßen Genossenschaftsanteile. Noch zu Lebzeiten bekam der Reformer viel An- erkennung: Kaiser Wilhelm I. ernannte ihn zum Ritter des Roten Adlerordens und spendete 15.000 Mark für den Reservefonds der Landwirtschaftlichen Zen- tralkasse. Kurz vor seinem 70. Geburtstag erkrank- te Raiffeisen an einer Lungenentzündung. Er starb 1888, wenige Tage bevor er die Ehrendoktorwürde der Universität Bonn erhalten sollte. Weitere Informationen: www.raiffeisen2018.de Fotos: Bundesregierung/Steffen Kugler, Heinz-Günther Augst

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