Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen

AUFSÄTZE A 2 3 / 2023 Kreditwesen · Digitaler Sonderdruck Gleitende Durchschnitte – Einbindung fehlender Volumen- und Margenkonstanz Konstantin Pieper / Noel Opala Die angemessene Abbildung von Positio- nen mit unbestimmter Kapital- und/oder Zinsbindung beschäftigt Institute seit je- her. Das Modell der gleitenden Durch- schnitte oder auch das Elastizitätenkon- zept sind in der Praxis weit verbreitet und unterstützen die Institute bei der Einbindung vollvariabler Produkte in den Risikosteuerungs- und -controllingpro- zessen. Doch spätestens mit der Niedrig- zinsphase ergaben sich verschiedene Veränderungen, die sich auch auf die kurz- und mittelfristigen Geldhaltungs- und Sparpräferenz der Haushalte aus- wirkten. Durch die temporär fehlende Existenz von Zinsen und Zinsunterschie- den ließ sich in der Praxis ein deutlich verändertes Kundenverhalten zu Volu- menverschiebungen und Zinsbindungen beobachten. Spätestens mit dem schnellen und erheb- lichen Zinsanstieg im Jahr 2022, aber auch impliziert durch die Umsetzung der öko- nomischen Risikotragfähigkeit im ICAAP, ergeben sich dadurch nun weitere Stress- faktoren für eine angemessene Paramet- risierung. So steht einerseits zu befürch- ten, dass sich gegebenenfalls modellhaft implizierte längere Zinsbindungen der Betrachtungsbündel nicht mehr vollum- fänglich manifestieren und durch zurück- gekehrte Zinsen und Zinsunterschiede wieder Wanderungs- und/oder Umschich- tungsbewegungen der Kunden entste- hen, die eine deutlich kürzere Zinsbin- dung nach sich ziehen könnten. Andererseits erfährt die Parametrisierung durch die Einführung der ökonomischen Risikotragfähigkeit zusätzliche Bedeu- tung, da der Barwert des Zinsbuches sig- nifikant durch die Parametrisierung voll - variabler Produkte beeinflusst werden kann. Der Barwert und damit die Para- metrisierung sind dabei wiederum aus- schlaggebend für die ökonomische Kapitalausstattung der Institute. Das Ausmaß der Auswirkungen des Zinsan- stiegs kann damit maßgeblich durch die Parametrisierung beeinflusst werden. Mögliche Fehlanwendungen Historisch beobachtete, aber auch zu er- wartetende Volumenverschiebungen wie auch gegebenenfalls veränderte Zinsbin- dungen stehen der zentralen Annahme der Margen- und Volumenkonstanz nicht zuletzt aufgrund der zuvor geschilderten Beobachtungen konträr gegenüber. In der Praxis haben sich verschiedentliche Erweiterungen und Anpassungen, die dieser Problematik begegnen sollen, er- geben. Im Kontext der aktuellen Zinsent- wicklung und deren Auswirkungen auf ökonomische Risikotragfähigkeit, Zinsrisi- kokoeffizient im Sinne des RS 06/2019 so - wie IDW BFA 3, sind diese Ansätze jedoch erneut zu würdigen. Der vorliegende Bei- trag soll neben den Entscheidungspara- metern und möglichen Erweiterungen, auch auf mögliche Fehlanwendungen eingehen und Hinweise für eine konsis- tente, vollständige und sachgerechte Ein- bindung in die Gesamtbanksteuerung bieten. Aufsichtsrechtliche Anforderungen Beginnend mit den aufsichtlichen Erwar- tungen sei zunächst auf die Anforderun- gen der MaRisk im Hinblick auf BTR 2.3 Tz. 7 MaRisk hinzuweisen, wonach für die Berücksichtigung von Positionen mit unbestimmter Kapital- oder Zinsbindung geeignete Annahmen festzulegen sind. Dies betrifft insbesondere auch vollvaria- ble Positionen, bei denen die faktische Zinsbindung von der rechtlichen Zinsbin- dung abweicht (BaFin, 2021). Im Kontext der europäischen Aufsichtspapiere wird für solche NMD (non-maturity deposits) das angemessene Berechnungsverfahren für das Kundenverhalten in Bezug auf das Kundenverhalten hinsichtlich Pricing und Cashflow-Profil konkretisiert (EBA, 2022). Neben den Anforderungen der MaRisk an die angemessene Modellierung sind jedoch auch die Anforderungen des „Rund- schreibens 06/2019 (BA) – Zinsänderungs- risiken im Anlagebuch“ zu berücksichtigen. Hiernach wird die statische Betrachtung (constant balance sheet) gefordert (BaFin, 2019). Dies kann im Kontext der EBA-­ Guidelines auch als ersatzloses Auslaufen aller Positionen beziehungsweise der Be- wertungsbündel konkretisiert werden (EBA, 2022). Hierbei erwächst die Anforderung des RS 06/2019 (BA) auch als maßgeblich für die ökonomische Perspektive des ICAAP, wonach im Sinne des AT 4.1 Tz. 2 MaRisk sowie dem Leitfaden zur aufsicht- „Durch die fehlende Existenz von Zinsen ließ sich ein deutlich verändertes Kundenverhalten beobachten.“

RkJQdWJsaXNoZXIy MjU1NjU=